Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.736

 

an Fleisch besorgen wollen, dieserhalb habe Frenzel einen Vorwand gesucht und nach Abschmecken einer Suppe ihn mit den Peitschenhieben bestraft. Seinen Sohn habe er bei anderer Gelegenheit grundlos misshandelt, grässlich zugerichtet. Auch in den Aussagen Josef Cuk.s findet sich nicht die unmittelbare zeitliche Verknüpfung; genaue Angaben, die den Schluss zuliessen, Frenzels Erklärungen über den Zusammenhang beider Strafen seien unrichtig, enthalten diese frühen, insgesamt recht pauschalen, oft ungenauen Aussagen jedoch nicht.

 

Die Zeugin Raa. hat über den Anlass wenig bekundet, der zu der Auspeitschung Cuk.s und seines Sohnes geführt hat; Pet. hat über die Tatsache der Auspeitschung des Kochs berichtet und als Anlass benannt, der Koch habe es nicht geschafft, innerhalb von 20 Minuten Essen für 600 Gefangene zu reichen, eine Begründung, die schon deswegen unrealistisch erscheint, weil der damalige - ruhige - Lagerbetrieb kaum zu einer Anordnung Frenzels zu passen scheint. Sie erinnert zudem fatal an die Begebenheiten anlässlich des Majdanek-Transportes, als Cuk. für einige hundert jüdische Menschen eine Suppe kochen durfte. Auch die Bekundungen des Zeugen Bla. haben wenig Aufschluss darüber gegeben, wie es zu der Bestrafung des Kochs gekommen ist. Zur zeitlichen Einordnung hat er - insoweit in Übereinstimmung mit Pet. - bekundet, das ganze Geschehnis sei 2 oder 3 Tage vor dem Aufstand gewesen. Hierzu finden sich allerdings keine Anhaltspunkte in der Bekundung der Zeugin Raa. und auch aus den verlesenen Aussagen der beiden Cuk.s sind für diese datenmässige Einordnung zu wenig Anhaltspunkte zu finden. Der Umstand, dass Hersz Cuk. sogar bekundet hat, er sei nach der Bestrafung einige Tage krank, dann einige Wochen einem anderen Kommando zugewiesen gewesen und habe erst danach wieder als Koch gearbeitet, liegt auf der Linie Frenzels und deckt sich nicht mit den Angaben der Zeugen Bla. und Pet. Letzterer hat sich nun allerdings nur so kurze Zeit in Sobibor aufgehalten, dass er eigentlich nicht wie viele andere Zeugen Unsicherheiten in zeitlichen Einordnungen bestimmter Ereignisse deswegen haben kann, weil sich in seiner Aufenthaltszeit so viel ereignet hätte. Nach allem was bekannt ist, waren die letzten Wochen vor dem Aufstand sogar (jedenfalls im Vergleich zu den früheren Lagerzeiten) ausgesprochen ruhig. Die Niederschrift der kommissarischen Vernehmung des Zeugen gibt nun allerdings einige Hinweise darauf, dass der Zeuge Pet. zu einer ausschmückenden Darstellungsweise seiner Erlebnisse im Vernichtungslager geneigt hat und neigt, wie etwa der Darstellung zu entnehmen ist, die er über sein spezielles Erlebnis mit Frenzel, dessen "grosszügiger" Geste, ihm Zigaretten und Brot als Anerkennung für gezeigte Leistung anzubieten, deutlich macht. Die Kammer hält es für durchaus möglich, dass der Zeuge - unbewusst - Berichte, die er im Lager Sobibor bekommen haben kann, die beispielsweise auf Ler. und Fellhändler zurückgehen könnten, mit denen er, eigenen Erklärungen zufolge, viel gesprochen und von denen er viel gehört hat, so verinnerlicht hat, dass er sie schliesslich für selbst erlebte Vorkommen gehalten hat und konsequenterweise für richtig annimmt, Cuk. sei kurz vor dem Lageraufstand so wie geschildert verprügelt worden. Dass sich der Zeuge Pet. geirrt und Gehörtes mit Selbst-Erlebtem verwechselt hat, ergibt sich nicht zuletzt aus der Aussage der Zeugin Raa., die den Vorfall so geschildert hat, dass einige Wochen zwischen Cuk.s Auspeitschung und der Flucht gewesen sind. Auch die verlesene Aussage des Zeugen Mer. vom März 1966 enthält den Hinweis, Frenzel habe den Cuk. fünf bis sechs Wochen vor dem Aufstand, erst in der Küche und nachher draussen auf dem Platz, schrecklich geschlagen.

 

Die Kammer geht auch von der Einlassung Frenzels aus, es habe einen, in Anbetracht der Lagersituation immerhin plausiblen Grund gegeben, eine Bestrafung beider anzuordnen. Die Kammer sieht dieses Einlassungsdetail als nicht widerlegbar an. Eine in sich schlüssige, plausible und die Erklärung Frenzels widerlegende Bekundung zu diesem Teilaspekt hat sich nicht in der Beweisaufnahme ergeben.

 

Auch für die Folgen der Schläge gilt, dass weitergehende Feststellungen, als diejenigen, die getroffen sind und auf den Angaben Frenzels beruhen, nicht zu begründen waren. Die Zeugin