Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.736

 

Ausserdem sind aus einem nicht näher bekannten Grunde im Frühjahr 1941 weitere 300 Juden in Holland verhaftet und im Lager Schoorl, in der Nähe von Amsterdam, untergebracht worden. Rauter beantragte bei der SS-Führung in Berlin, auch diese 300 Juden in das Konzentrationslager Mauthausen verbringen zu lassen. Durch Fernschreiben vom 10.6.1941 erhielt er das Einverständnis hierzu. Daraufhin wurden in der Woche vom 16. bis zum 23.Juni 1941 auch diese Juden ins Konzentrationslager Mauthausen gebracht. Ihre Anzahl verringerte sich wiederum um einige Personen. Insgesamt betrug die Anzahl der in Mauthausen inhaftierten holländischen Juden am 23.Juni 1941 639.

 

Diese jüdischen Häftlinge aus Holland wurden im Konzentrationslager nach und nach getötet, so dass am 28.Dezember 1941 von der vorgenannten Anzahl nur noch 8 Häftlinge übrig waren. Die Nachrichten über die Todesfälle und auf Antrag auch Pappkartons mit den Verbrennungsrückständen der Leichen wurden vom Konzentrationslager Mauthausen nach Holland gesandt und dort - möglicherweise über eine jüdische Organisation - den Angehörigen der Verstorbenen ausgehändigt. Die grosse Anzahl der laufend eintreffenden Todesbenachrichtigungen aus Mauthausen führte naturgemäss unter der jüdischen Bevölkerung in Holland zu Besorgnis und Schrecken. Dies nutzte die nationalsozialistische Führung in Holland dazu aus, um die Erfassung der Juden für den Abtransport nach dem Osten leichter durchführen zu können. Es war nämlich in Holland noch nicht allgemein bekannt geworden, welches Schicksal den nach dem Osten abtransportierten holländischen Juden dort drohte. Die nationalsozialistische Führung konnte deshalb in Holland mit der Drohung, bei Verstoss gegen die für die Juden erlassenen Bestimmungen würden die Betroffenen nach Mauthausen transportiert, teilweise erreichen, dass die Juden sich den Vorbereitungen für den Abtransport nach dem Osten nicht entzogen. Nach Mauthausen wurden in der Folgezeit nur noch solche Juden transportiert, die gegen irgendwelche für die Juden erlassenen Bestimmungen verstossen hatten. Es handelte sich hierbei um verhältnismässig kleine Gruppen von Häftlingen, die im Laufe des Jahres 1942 in Mauthausen eintrafen.

 

Das Eintreffen der zahlreichen Todesnachrichten aus dem Konzentrationslager Mauthausen in Holland führte ausserdem dazu, dass die schwedische Botschaft, die die Interessen der holländischen Staatsangehörigen vertrat, versuchte, sich für die abtransportierten holländischen Juden einzusetzen. Sie wandte sich an das Auswärtige Amt in Berlin, verlangte Aufklärung und forderte die Zulassung des Besuches eines Bevollmächtigten im Konzentrationslager Mauthausen. Das Auswärtige Amt setzte sich mit den am Abtransport der Juden beteiligten SS-Stellen in Verbindung. Unter verschiedenen Vorwänden wurde schliesslich die Intervention der schwedischen Botschaft zurückgewiesen.

 

Im Konzentrationslager Mauthausen wurden die holländischen Juden systematisch umgebracht. Sie wurden aber nicht förmlich exekutiert, sondern ohne offizielle Anordnung mit verschiedenen Methoden getötet oder in den Tod getrieben. Diese Tötungen erfolgten wahrscheinlich auf entsprechende Anregung der Lagerleitung hin, die ihrerseits wieder entsprechende Anregungen aussenstehender Dienststellen, möglicherweise seitens der in Holland amtierenden SS- und Polizeiführung, erhalten hatte. Teilweise wurden die Juden schon kurz nach ihrem Eintreffen im Konzentrationslager Mauthausen die Treppe zum Waschraum hinuntergestossen und bereits im Duschraum so erheblich misshandelt, dass ein Teil von ihnen an Ort und Stelle starb. Andere wurden sofort nach ihrer Ankunft unter irgendeinem Vorwand in Richtung auf den elektrisch geladenen Draht gejagt und dann von dem Posten "auf der Flucht" erschossen. Die meisten wurden ohne Rücksicht auf ihren körperlichen Zustand entweder sofort der Strafkompanie zugeteilt, die im Steinbruch Wiener-Graben eingesetzt war, oder zu einem Sonderkommando zusammengestellt, das ebenfalls im Steinbruch Wiener-Graben eingesetzt wurde.

 

Sie mussten schwere Granitsteine über die 186 Stufen zählende Treppe aus dem Steinbruch in das Lager schleppen. Dabei wurden sie ununterbrochen gehetzt, angetrieben und