Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXI

Verfahren Nr.694 - 701 (1968 - 1969)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.701a LG Stuttgart 13.03.1969 JuNSV Bd.XXXI S.697

 

Lfd.Nr.701a    LG Stuttgart    13.03.1969    JuNSV Bd.XXXI S.733

 

Maschinengewehren niedergemäht wurden. Später folgten während des gesamten Zeitraums der deutschen Besetzung zahlreiche, nicht mehr so extrem opferreiche Massenerschiessungen von Zivilisten durch SS/SD-Verbände. In dem waldreichen Gebiet hauptsächlich ostwärts von Riga, vor allem in der Gegend bei Salaspils und in dem sogenannten Bickernicker Wald, waren aus jener Zeit riesige Massengräber zurückgeblieben.

 

Solange das Sonderkommando 1005 B noch im Lager Salaspils untergebracht war, errichteten Häftlinge aus jenem Arbeitslager im Bickernicker Wald in der Nähe der grössten der vorhandenen Massengräber für die Kommandoangehörigen ein Barackenlager und für die zukünftigen Arbeitshäftlinge einen Erdbunker. Dieses Waldlager diente für das Sonderkommando während der Enterdungen im Bickernicker Wald als ständige Unterkunft. An seinem Aufbau wirkte der Angeklagte Kir. massgeblich mit. Im übrigen aber wurde Kir. offenbar schon vor Beginn der Leichenausgrabungen speziell damit beauftragt, am Strand nördlich von Riga ein Erholungsheim für die Angehörigen sämtlicher im Nordabschnitt der Ostfront eingesetzten Enterdungskommandos einzurichten. Kir. scheint - begreiflicherweise - die "schöne Aufgabe da draussen weidlich ausgenutzt" (HV-Prot. S.444) und sich deswegen in der Folge nur noch wenig bei seiner Einheit aufgehalten zu haben. Als einzige weitere Tätigkeit des Angeklagten Kir. im Zusammenhang mit den Grabarbeiten des Sonderkommandos 1005 B im Raume Riga kann lediglich noch die von ihm glaubhaft eingeräumte Besorgung von Rauchfleisch als zusätzliche Verpflegung auch für die Gefangenen festgestellt werden.

 

Noch bevor das neue Lager bezugsfertig war, begann das Kommando ungefähr Ende April 1944 im Wald bei Salaspils mit den Enterdungen. Der KdS Dr. Lange stellte der Einheit wenigstens 30 gefangene jüdische Männer zur Verfügung. Der alten Praxis entsprechend wurden hier und andernorts bei den späteren Einsätzen im Raum Riga alle Häftlinge Tag und Nacht mit den bekannten Fussketten gefesselt gehalten, um sie an einer Flucht zu hindern. Die genaue Zahl der an dieser ersten "Baustelle" verbrannten Leichen sowie die Dauer dieses Einsatzes können nicht mehr zuverlässig festgestellt werden. Auch ist nicht völlig sicher geklärt, ob sämtliche Arbeitskräfte abschliessend erschossen und ob auch ihre Leichen mitverbrannt wurden - was wegen der entsprechenden Grundsatzanweisung und der Tatsache müheloser Beschaffung neuer Gefangener aus den grossen Lagern im Raume Riga zu vermuten ist - oder ob nicht auch in diesem Falle, wie vielleicht seinerzeit in Nikolajew, die Häftlinge ausnahmsweise zur nächsten Arbeitsstelle mitgenommen wurden.

 

Etwa Mitte Mai 1944 bezog das Kommando das nur einige Kilometer östlich von Riga eingerichtete Barackenlager. Im Bickernicker Wald "bereinigte" das Sonderkommando 1005 B in den folgenden Monaten bis etwa Mitte September 1944 zumindest zwei grosse Massengräber mit mindestens 20.000 Leichen. Die Zahl der beseitigten Leichen gab Helfsgott wöchentlich in sogenannten "Holzmeldungen" an den KdS Dr. Lange weiter. Im übrigen ging die Arbeit in der üblichen Art vonstatten. Dabei wurden hintereinander zwei Gruppen von mindestens 30 männlichen jüdischen Häftlingen aus einem der Lager - möglicherweise dem Konzentrationslager Kaiserwald - eingesetzt. Die erste Gruppe könnte aus den mindestens 30 Gefangenen bestanden haben, die den vorausgegangenen ersten Einsatz hatten mitmachen müssen.

 

Diese zwei Häftlingsgruppen wurden von SS/SD-Angehörigen des Sonderkommandos 1005 B nach Beendigung der jeweiligen Arbeiten an den beiden Massengräbern als "Geheimnisträger" erschossen. Die erste Erschiessungsaktion fand im Juni oder Juli 1944, die zweite Mitte September 1944 statt, kurz bevor die Einheit Riga mit dem Schiff verliess, um dann zusammen mit den anderen Enterdungskommandos aus den verschiedenen Frontabschnitten in der Einsatzgruppe z.b.V. "Iltis" unter Blobels Führung aufzugehen. Helfsgott war als aufsichtsführender Kommandoführer bei beiden Erschiessungsaktionen an Ort und Stelle zugegen, ohne jedoch selbst mitzuschiessen. Zwar hielt auch er die Exekutionen aus Gründen