Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.729

 

Wenn der Zeuge Cl.-Sr. ausgesagt hat, seiner Erinnerung nach habe er keinen Verbrennungsgeruch wahrgenommen, so erklärt sich dies ohne weiteres mit der lange zurückliegenden Zeit. Und der Umstand, dass der Häftling nach der Aussage des Zeugen nicht laut geschrien hat, erklärt sich, wie der Sachverständige Prof.Dr. Dot. zur Überzeugung des Schwurgerichts ausgeführt hat, durch den psychischen Schock, den der Häftling bei der plötzlichen Berührung mit dem glühenden Ofen erlitten hat.

 

Die Aussage des Zeugen Cl.-Sr. wird auch nicht durch die Einlassung des Angeklagten erschüttert, im Winter 1941/42 sei in der Kommandanturbaracke bereits Zentralheizung gewesen. Die hierzu vernommenen zahlreichen Zeugen haben naturgemäss keine genauen zeitlichen Angaben machen können. Die Aussagen lauten jedoch überwiegend dahin, dass die Zentralheizung erst 1942 oder sogar 1943 in der Kommandanturbaracke eingerichtet worden sei. Am sichersten war noch die Aussage des Zeugen Wis., der angegeben hat, er sei Anfang 1942 krank gewesen; damals sei erst der Kanal vom Kesselhaus zur Kommandanturbaracke gebaut worden. Anhand des diesen Zeugen betreffenden Dokumentenauszuges des internationalen Suchdienstes Arolsen, welcher Gegenstand der Hauptverhandlung war, konnte nachgewiesen werden, dass dieser Zeuge am 7.Januar 1942 im Krankenbau des Konzentrationslagers Mauthausen behandelt worden ist. Die Aussage dieses Zeugen ergibt demnach, dass die Heizung frühestens im Frühjahr oder im Sommer 1942 in die Kommandanturbaracke gelegt worden sein kann, da der Bau des Kanals vom Kesselhaus aus erst zu den Vorbereitungsarbeiten gehörte. Die Aussage dieses Zeugen stimmt also mit den zeitlichen Angaben Cl.-Sr.s überein.

 

Die Anklage legt dem Angeklagten in diesem Falle zur Last, sich des versuchten Mordes an dem Häftling schuldig gemacht zu haben (§§211, 43 StGB).

 

Der Angeklagte musste jedoch in diesem Fall freigesprochen werden, da sich die tatsächlichen Voraussetzungen des versuchten Mordes nicht nachweisen liessen. Es konnte nämlich nicht nachgewiesen werden, dass der Angeklagte seine Handlung mit dem Willen vorgenommen hat, den jüdischen Häftling zu töten, oder dass er den Tod des Häftlings als Folge der Misshandlung durch das Setzen auf den glühenden Ofen in Kauf genommen hat.

 

Der Angeklagte selbst bestreitet die Tat und behauptet, etwas derartiges sei in der politischen Abteilung nie vorgekommen.

Allerdings ergibt der äussere Tathergang, wie ihn der Zeuge Cl.-Sr. glaubwürdig geschildert hat, eine Reihe von Indizien, die dafür sprechen, dass der Angeklagte vorsätzlich gehandelt hat.

 

Das schwerwiegendste Indiz zu Ungunsten des Angeklagten ist der Umstand, dass der Angeklagte Schul. dem Zeugen Cl.-Sr. befohlen hat, den Ofen tüchtig zu heizen, bevor er, Schul., die Juden in den Raum hereinführen liess. Das deutet darauf hin, dass der Angeklagte die Misshandlung des Juden auf dem Ofen vorher überlegt und beabsichtigt hatte. Doch konnte dies nicht sicher festgestellt werden. Der Zeuge Cl.-Sr., danach befragt, ob er den Eindruck gehabt habe, dass es sich um eine überlegte und vorbereitete Handlung Schul.s gehandelt habe, konnte dazu keine genauen Angaben mehr machen, da er sich infolge der lange zurückliegenden Zeit an keine genauen Einzelheiten mehr erinnerte. Er hat angegeben, er wisse nicht, was Schul. sich dabei gedacht habe und wisse auch nicht mehr, welchen Eindruck er damals von dem Verhalten Schul.s gehabt habe. Schul. sei an und für sich kein Sadist gewesen, sondern eher ein ruhiger und sachlicher, wenngleich den Häftlingen gegenüber mitleidloser Mensch. Schul. habe allerdings zu gelegentlichen Zornausbrüchen geneigt.

 

Nach Meinung des Schwurgerichts zwingt der äussere Tatablauf nicht zu dem Schluss, dass Schul. die Misshandlung des Juden bereits bei seiner Anordnung, den Ofen zu heizen,