Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.728

 

Überprüfung standhielten und auf originären unzweifelhaften Erinnerungen beruhten, hat deutlich gemacht, dass Frenzel im Lager einer der brutalsten gewesen ist, zu den schrecklichsten gehört hat. Es imponiert, dass der Zeuge Ler., der in den frühen Vernehmungen der Nachkriegszeit nach allem, was mit ihm über seine früheren Bekundungen erörtert worden ist, mit zu denen gehört hat, die nicht gerade zurückhaltend gewesen sind, wenn es darum ging, etwa den seinerzeitigen Beschuldigten Bauer zu belasten, und auch sonst nicht immer in seinen frühen Vernehmungen durch differenziertes Aussageverhalten in bezug auf jeweils ermittelte Personen aufgefallen ist, auch damals mehrfach den Angeklagten Frenzel als einen der schrecklichsten bezeichnet hat, obwohl seinerzeit kein Anlass für die Annahme bestand, Frenzel könne ermittelt werden.

 

Auch andere Zeugen haben, teilweise schon in schriftlichen ähnlichen Äusserungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit Frenzel als einen der schrecklichsten Aufseher namentlich genannt, obwohl sie sonst in diesen frühen Erklärungen sehr kursorisch sich geäussert haben. Bedenkt man, dass die eigentlichen Lagerleiter bei solchen frühen Gelegenheiten praktisch nie erwähnt worden sind, zeigt sich daran zur Überzeugung des Gerichts, dass der Angeklagte Frenzel im Lager Sobibor wirklich von entscheidender Bedeutung für die jüdischen Häftlinge gewesen ist, ihre Lebensumstände in ganz besonderer Weise geprägt hat, für sie einer der bedeutendsten, gefährlichsten Wachmänner gewesen ist.

 

Die Äusserungen, die über den Angeklagten von seinen ehemaligen Kameraden in der Euthanasie und im Lager Sobibor noch in der jetzigen Hauptverhandlung, vor allem aber in früheren Vernehmungen abgegeben worden sind, decken sich in der kennzeichnenden Wertung weitgehend mit der Beurteilung durch die jüdischen Zeugen:

 

Frenzel habe seine Befehle lautstark gegeben, habe eine grosse Schnauze gehabt und sehr viel gebrüllt, habe eine führende Rolle gespielt und überall seine Hände im Spiel gehabt, man habe sich an ihn wenden müssen (Bauer); Frenzel habe im Lager vor Kraft kaum laufen können, habe den Ausdruck "Allez-Hopp" gebraucht, wenn er einen vorbeikommenden Juden mit der Peitsche geschlagen habe, was ihm sichtlich Spass gemacht habe (Bol.). Frenzel sei lebhaft und laut gewesen (Dub. 437); Frenzel habe einen besonders grossen Mund gehabt, sei sicherlich bei den Juden nicht beliebt gewesen, weil er viel geschrieen und vielleicht auch manche strenge Massnahme ergriffen habe, sei schnell mit der Peitsche bei der Hand gewesen, habe zu den unruhigen Leuten im Lager gehört (G.). Auch die anderen Erklärungen, Frenzel sei robust und laut gewesen, jedenfalls das Gegenteil von einem gutmütigen Schaf (Itt.), Frenzel habe sich auch sonst sehr hervorgetan, habe den Eindruck vermittelt, dass er die Machtfülle sichtlich genossen und auch manchmal wohl missbraucht habe, sei ein kleiner Geist gewesen (Jüh. 438), Frenzel sei ein Schreier gewesen, der auch geschlagen habe (K.), er sei wohl von Haus ein lauter Mann gewesen, sei ein Schreier gewesen und habe die Juden angeschnauzt (Sch.), Frenzel habe sich wichtig gemacht, sich hervorgetan und habe eine Art gehabt, die man am besten als grossschnäuzig kennzeichne (Unv. 439) und Frenzel habe die Lagerjustiz hart und streng ausgeübt, diese sei sogar grausam gewesen, schon bei den geringsten Anlässen habe Frenzel die Juden von seinen Kapos mit Peitschen verprügeln lassen, er habe sich immer sehr wild gebärdet, mit ihm seien offenbar seine niedrigen Instinkte durchgegangen, und die plötzliche Machtvollkommenheit, die ihn zum Herrn über Leben und Tod der jüdischen Häftlinge erhoben habe, sei ihm wohl zu Kopf gestiegen,

 

437 Siehe Lfd.Nr.642.

438 Siehe Lfd.Nr.642.

439 Siehe Lfd.Nr.155 (dort: U.) und 642.