Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.728

 

Freisprüche

 

11.) Setzen eines Juden auf einen glühenden Ofen im Februar 1942

(Fall D I 1 der Anklage)

 

Die Räume der politischen Abteilung befanden sich - wie bereits ausgeführt - zunächst innerhalb der sogenannten Kommandanturbaracke. Diese Baracke war zunächst ein in Holz aufgeführtes Gebäude. Im Jahre 1942 wurde sie durch ein Steingebäude ersetzt. Ausserdem wurde Zentralheizung eingebaut, während vorher die Beheizung durch kleine eiserne Öfen erfolgte.

 

An einem kalten Tag im Februar 1942, als in der Kommandanturbaracke noch mit den eisernen Öfen geheizt wurde, wartete vor den Räumen der politischen Abteilung ein kleiner Transport von etwa 10-15 gerade eingetroffenen jüdischen Häftlingen. Sie waren nur unzureichend, nämlich nur mit Hemd und Unterhose, bekleidet und froren. Der Angeklagte Schul. sah den Transport und befahl dem Zeugen Cl.-Sr., der als Häftling in der politischen Abteilung beschäftigt war, den kleinen eisernen Ofen in Schul.s Zimmer tüchtig zu heizen. Cl.-Sr. befolgte diesen Befehl. Als die Platte des Ofens rotglühend war, gab Schul. dem Zeugen Cl.-Sr. den Befehl, die Häftlinge in das Zimmer zu bringen, was auch geschah. Schul. fragte die jüdischen Häftlinge dann in ironischer Weise, ob ihnen kalt wäre, und sagte ihnen, sie könnten sich am Ofen wärmen. Dadurch entstand ein Durcheinander, weil sich die Häftlinge um den Ofen drängten. Plötzlich stiess oder drückte der Angeklagte Schul. einen der Häftlinge, einen älteren, etwa 60-jährigen Mann, in Richtung auf den Ofen, so dass der Häftling auf den Ofen zu sitzen kam. Der misshandelte Häftling jammerte laut und war nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft wieder zu erheben. Seine Mithäftlinge halfen ihm von dem Ofen herunter. Er hatte sich erhebliche Verbrennungen am Gesäss durch die Berührung mit der glühenden Ofenplatte zugezogen. Der Zeuge Cl.-Sr. musste anschliessend auf Befehl Schul.s den Ofen von den Verbrennungsrückständen säubern.

 

Diesen Sachverhalt hat das Schwurgericht im wesentlichen aufgrund der Aussage des Zeugen Cl.-Sr. festgestellt. Der Zeuge ist persönlich zuverlässig und auch objektiv glaubwürdig. Es ist insbesondere ausgeschlossen, dass er den Vorfall einfach der Wahrheit zuwider erfunden hat, um Schul. zu belasten. Dieser Zeuge wird von mehreren anderen Zeugen, u.a. auch von Schul.s Stellvertreter Fas., als sachlich und ruhig geschildert. Schul. selbst betrachtete ihn vor Beginn des Verfahrens als einen Entlastungszeugen für sich und rechnete damit, dass Cl.-Sr. nur Gutes über ihn sagen würde. In der Tat war dem Zeugen auch keinerlei Hass oder Abneigung gegen Schul. anzumerken. Im Gegenteil hat er vielmehr u.a. ausgesagt, Schul. sei im Ganzen verhältnismässig korrekt zu den Häftlingen gewesen. Er habe die in der politischen Abteilung beschäftigten Häftlinge im Grossen und Ganzen gut behandelt, habe aber keinerlei Mitleid oder Mitgefühl mit den anderen Häftlingen gehabt.

 

Ausserdem haben die Zeugen Fas., Gö., dessen Aussage verlesen worden ist, und Kle. die Aussage Cl.-Sr.s teilweise bestätigt. Kle., ehemaliger SS-Unterführer der politischen Abteilung, hat ausgesagt, er erinnere sich daran, dass in der politischen Abteilung ein Häftling auf den Ofen gesetzt worden sei. Er erinnere sich auch daran, dass dies im Zusammenhang mit dem Angeklagten Schul. gewesen sei. Er könne aber nicht mehr sagen, ob er diesen Vorfall selbst gesehen oder nur im Gespräch mit den Kameraden in der politischen Abteilung davon gehört habe. Er vermute allerdings, dass er den Vorfall gesehen habe, weil er ihn noch verhältnismässig deutlich in Erinnerung habe.

 

Fas. hat ausgesagt, er habe gesprächsweise von einem derartigen Vorfall gehört. Man habe in der politischen Abteilung darüber gesprochen dem Sinne nach etwa: Da haben sie einen auf den Ofen gesetzt. Näheres könne er nicht mehr sagen. Der Zeuge Gö., ein ehemaliger Häftling, hatte von dem Vorfall gesprächsweise gehört.