Justiz und NS-Verbrechen Bd.I

Verfahren Nr.001 - 034 (1945 - 1947)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

 

Lfd.Nr.032c KG 30.06.1948 JuNSV Bd.I S.721

 

Lfd.Nr.032c    KG    30.06.1948    JuNSV Bd.I S.723

 

Entwurf von 1923 als §42a die Bestimmung aufgenommen werden sollte: "Der Ausschuss (d.h. der nach §40 GVG bei dem Amtsgericht zusammentretende Ausschuss) darf nur Personen wählen, von denen zu erwarten ist, dass sie das Richteramt gewissenhaft, unparteiisch und mit dem nötigen Verständnis ausüben werden. Nach der Zugehörigkeit zu bestimmten Parteien, Berufsarten, Religionsgemeinschaften oder sonstigen Bevölkerungskreisen darf kein Unterschied gemacht werden". Auch der Senat nimmt an, dass, wie a.a.O. weiter ausgeführt wird, diese Vorschrift, obgleich sie nicht Gesetz geworden ist, dem Wesen der Sache entspricht und auch ohne förmliche Bindung als Richtschnur für den Ausschuss angesehen werden muss. Wenn dementgegen bei der Wahl der Schöffen und Geschworenen aus der Urliste oder etwa sogar bei der Aufstellung der Urliste Vorschlagslisten der politischen Parteien zugrunde gelegt würden, so könnte darin eine Verletzung des Gesetzes gefunden werden, die einen Revisionsgrund im Sinne des §338 Ziff.1 StPO bilden könnte. Bei der Anwendung der Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes müssen hier aber die ganz besonderen Verhältnisse berücksichtigt werden, die nach dem Zusammenbruch in Berlin bestanden und an die der Gesetzgeber nicht hat denken können. Die Geschworenen, die hier mitgewirkt haben, sind aus einer Liste entnommen worden, die Ende 1945 für die Geschäftsjahre 1946 und 1947 entstanden ist. Damals fehlte es weitgehend an den für die Aufstellung einer Urliste erforderlichen Unterlagen. Es bestand die Notwendigkeit, Schöffen und Geschworene, wenn nicht überhaupt vorerst auf die Tätigkeit von Schöffen- und Schwurgerichten verzichtet werden sollte, nach ihrer politischen Eignung auszuwählen. Dass genau so wie die Berufsrichter auch die Laienrichter auf ihre politische Zuverlässigkeit zu prüfen sind, hat neuerdings die Alliierte Kommandantur durch die Anordnung vom 31.Mai 1948 (VOBl. für Gross Berlin S.324) besonders hervorgehoben. Solange besondere Anordnungen nicht bestanden, blieb es dem Ermessen der zuständigen Behörde überlassen, wie sie bei der Auswahl der Schöffen und Geschworenen eine Gewähr dafür schaffen wollten, dass nur politisch unbelastete Personen für dieses Amt herangezogen würden. Wenn daher im Jahre 1945 bei der Auswahl der Schöffen und Geschworenen an irgendeiner Stelle des dafür gesetzlich vorgesehenen Verfahrens Vorschläge oder Anregungen der politischen Parteien berücksichtigt worden sein sollten, so würde dies nicht zu beanstanden und nicht als eine Verletzung der Grundsätze des Gerichtsverfassungsgesetzes anzusehen sein. Auch diese Verfahrensrüge der Revision konnte daher nicht durchgreifen.

 

Auch materiellrechtlich lässt das Urteil einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Der Senat ist bei seiner Prüfung an die tatsächlichen Feststellungen des Schwurgerichts und die von diesem nach freier richterlicher Überzeugung auf Grund des Inbegriffs der Verhandlung vorgenommene Beweiswürdigung gebunden. Das Schwurgericht hat ohne Rechtsirrtum objektiv und subjektiv eine unmenschliche Verfolgung aus politischen Gründen im Sinne des Kontrollratsgesetzes Nr.10 festgestellt. Eine Verfolgung aus politischen Gründen liegt vor, weil die Angeklagte hartnäckig auf der Festnahme des wegen einer hochpolitischen Tat steckbrieflich verfolgten Dr. Goerdelers bestanden, diese Festnahme dadurch herbeigeführt und ihn durch seine Festnahme den unmenschlichen Methoden des Naziregimes überliefert hat. Der Senat hält an der Begriffsbestimmung des politischen Grundes, die er in seinem Urteil vom 17.Mai 1947 in dieser Sache gegeben hat, fest. Unerheblich ist es hiernach, dass die Angeklagte, wie das Schwurgericht ausführt, nicht nur der Partei oder einer ihrer Gliederungen nicht angehört hat, sondern auch politisch völlig uninteressiert war und keine eigenen politischen Zwecke verfolgte. Die Auslieferung eines politisch Verfolgten an seine Verfolger nicht als politische Handlung anzusehen, wäre nur dann denkbar, wenn dem Täter die Vorstellung von dem politischen Charakter der Verfolgung und von dem politischen Charakter des Systems, dem der Verfolgte ausgeliefert wurde, fehlte. Das Schwurgericht hat aber festgestellt, dass der Angeklagten bekannt war, warum Goerdeler verfolgt wurde, auch bekannt war, dass an demselben Unternehmen Beteiligte schon abgeurteilt und hingerichtet waren, und dass ihr die Gewalt- und Unterdrückungsmethoden des nationalsozialistischen Regimes bekannt waren. Eine Verfolgung aus politischen Gründen würde deshalb auch vorliegen ohne die Folgerung des Schwurgerichts, dass die Angeklagte sich zu dem nationalsozialistischen Gewaltregime und seinen Methoden bekannt habe. Wie der Senat schon in seinem früheren Urteil ausgesprochen