Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.722

 

Häftlinge zunächst einmal arbeiten sollten und ihre Tötung deshalb zurückzustellen sei. Praktisch lief allerdings die Tötungsaktion jedenfalls im Konzentrationslager Mauthausen im wesentlichen darauf hinaus, dass man die Aktion als eine Gelegenheit sah, sich der kranken und missliebigen Häftlinge zu entledigen, ganz gleich, ob die Häftlinge an chronischen, vorübergehenden oder sonstigen Krankheiten litten oder ob sie einfach wegen der Lebensbedingungen im Lager körperlich und seelisch erschöpft waren. Die hierzu vernommenen Zeugen haben übereinstimmend berichtet, dass die meisten der abtransportierten Häftlinge nach dem blossen äusseren Eindruck körperlich sehr stark heruntergekommen waren.

 

Ein Teil der "Überstellungslisten", in denen die nach Schloss Hartheim transportierten Häftlinge aufgeführt sind, war in Fotokopie Gegenstand der Hauptverhandlung. Diese Listen enthalten die Namen von über tausend Häftlingen allein aus dem Nebenlager Gusen. Die Gesamtanzahl der innerhalb des ersten Abschnittes der "Häftlingseuthanasie" in Mauthausen, also 1941 und 1942 nach Hartheim transportierten und dort getöteten Häftlinge dürfte bei mindestens 2000 Personen liegen.

 

Später, im Jahre 1944, fanden im Konzentrationslager Mauthausen erneut Aussonderungen von Häftlingen durch die Ärzte zum Transport nach Hartheim statt. Wiederum wurde in gleicher Weise eine grössere Zahl kranker und missliebiger Häftlinge ausgesondert, nach Hartheim transportiert und dort getötet. Die politische Abteilung unter persönlicher Leitung Schul.s wirkte auch hier in der bereits beschriebenen Weise mit. Die genaue Anzahl der in diesem zweiten Abschnitt der "Häftlingseuthanasie" getöteten Häftlinge aus Mauthausen und seinen Nebenlagern ist nicht bekannt. In der Zeit von April 1944 bis 11.Dezember 1944 wurden mindestens 3000 Häftlinge aus Mauthausen und seinen Nebenlagern im Rahmen der Aktion in Hartheim vergast.

 

Im Dezember 1944 wurden die Vergasungen in Schloss Hartheim eingestellt. Der Zeuge Ger., der als SS-Mann bei der Fahrbereitschaft des Konzentrationslagers Mauthausen beschäftigt war, erhielt den Auftrag, mit einem Transport von 20 Häftlingen nach Schloss Hartheim zu fahren. Diese Häftlinge mussten in Schloss Hartheim die Tötungsanlagen abbrechen und die Umbauten vornehmen, die erforderlich waren, damit dem Gebäude seine bisherige Bestimmung als Tötungsanstalt nicht mehr ohne weiteres anzusehen war.

 

Der Angeklagte Schul., der, wie ausgeführt, von Anfang an über die Tötungsaktion informiert worden war, ihren Zweck und die Einzelheiten der Durchführung kannte, organisierte und beaufsichtigte die in der politischen Abteilung durchgeführten Arbeiten. Er wusste, dass und wie die Häftlinge in Hartheim vergast wurden. Er war sich auch darüber klar, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit zu diesen Tötungen beitrug. Ebenso wusste er, dass es Unrecht ist, Menschen allein deswegen zu töten, weil sie krank sind. Gleichwohl arbeitete er freiwillig in der beschriebenen Weise an der Aktion mit. Er tat dies deshalb, weil er damals keine Bestrafung für seine Beteiligung zu fürchten hatte und weil er sich sagte, die Verantwortung für diese Angelegenheit trage nicht er, sondern die SS-Führung, die sie angeordnet hatte. Denn, so sagte er sich, sein Beitrag bestehe ja nur in der Durchführung der erforderlichen Büroarbeiten, und mit der eigentlichen Tötung habe er nichts zu tun.

 

Der Angeklagte Schul. hat sich zu diesem Tatkomplex wie folgt eingelassen:

Seines Wissens sei die Aktion 14 f 13 von Himmler ausgegangen. Der entsprechende Befehl sei über den Inspekteur der Konzentrationslager an die Lagerkommandanten weitergegeben worden. Über die politische Abteilung sei dieser Befehl nicht gelaufen. Er, der Angeklagte, sei bei einer Besprechung zwischen Ziereis, Dr. Lonauer und den SS-Führern des Konzentrationslagers Mauthausen nicht zugegen gewesen. Er vermute, dass Ziereis, Bachmayer und die Blockältesten eine Voruntersuchung der Häftlinge vorgenommen hätten. Er selbst habe daran nicht teilgenommen. Ihm sei allerdings bekannt gewesen, dass die Häftlinge nach Schloss Hartheim gekommen sind und dort vergast wurden. Sobald ein Transport Häftlinge