Justiz und NS-Verbrechen Bd.I

Verfahren Nr.001 - 034 (1945 - 1947)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

 

Lfd.Nr.032c KG 30.06.1948 JuNSV Bd.I S.721

 

Lfd.Nr.032c    KG    30.06.1948    JuNSV Bd.I S.722

 

inzwischen Zeitungen mit Bildern Goerdelers herbeigeholt worden waren. Sch. sich aber immer noch nicht überzeugt hatte, erklärte die Angeklagte: "Lassen Sie doch den Mann nicht laufen!" Nach einigen Minuten entschloss sich der Oberzahlmeister H., dem die in demselben Hause untergebrachte Gebührnisstelle unterstand, und der bei der letzten Unterhaltung zugegen gewesen war, nach dem Fremden zu forschen. Er begab sich gemeinsam mit Sch. auf die Suche, und beide nahmen bald darauf Goerdeler fest. Er wurde dann von der Polizei abgeholt.

 

Die beiden Oberzahlmeister erstatteten über die Vorgänge eine auch von der Angeklagten unterschriebene Meldung an die Fliegerhorstkommandantur. In Elbing, wo alle drei vernommen wurden, veranlasste die Angeklagte eine Berichtigung der schriftlichen Meldung, weil darin die Umstände, die zur Festnahme Goerdelers geführt hatten, nach ihrer Ansicht fälschlich in der Weise dargestellt waren, als wenn die beiden Oberzahlmeister das "Hauptverdienst" an der Ergreifung hätten. Ende August 1944 wurde die Angeklagte im Führerhauptquartier Hitler vorgestellt. Von ihm erhielt sie als Belohnung für ihre Tat einen Scheck über eine Million Reichsmark. Von diesem Betrag hat die Angeklagte nur wenige tausend Reichsmark für sich verwertet.

 

Auf Grund dieses Sachverhalts ist die Angeklagte vom Schwurgericht wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu 6 Jahren Zuchthaus und 6 Jahren Ehrverlust verurteilt worden. Ihre Revision hatte keinen Erfolg.

 

Von den verfahrensrechtlichen Rügen ist die Rüge, dass die Geschworenen nicht in der der Auslosung entsprechenden Reihenfolge zu der Tagung des Schwurgerichts herangezogen worden seien, durch die Auskunft des Landgerichts hinfällig geworden, dass sie nach der Reihenfolge der Auslosung aus der Gesamtliste zu der Tagung geladen worden sind. Die weitere Rüge, dass die Richterbank nicht ordnungsmässig besetzt gewesen sei, weil ein vorgesehener Richter ohne triftigen Grund ausgeschieden sei, ist nach der Auskunft des Landgerichts ebenfalls nicht begründet. Nach dieser Auskunft ist für einen zunächst als Beisitzer bestellten erkrankten Richter von dem Landgerichtspräsidenten ein anderer bestellt, und, als dieser ebenfalls erkrankte, dessen Stellvertreter herangezogen worden. Für die Ernennung der richterlichen Mitglieder des Schwurgerichts ist nach §83 Abs.2 GVG der Landgerichtspräsident und nicht, wie die Revision meint, das Präsidium zuständig.

 

Die Revision rügt schliesslich verfahrensrechtlich, dass die Vorschriften über die Auswahl und Auslosung der Geschworenen nicht beachtet worden seien, weil diese von den politischen Parteien in Vorschlag gebracht worden seien. Diese Rüge ist in der Revisionsbegründung in so unbestimmter Form erhoben worden, dass nicht ersichtlich ist, auf welchen Abschnitt des Verfahrens von der Aufstellung der Urliste über die Wahl durch den in §40 GVG vorgesehenen Ausschuss bis zur Auslosung der Geschworenen sie sich bezieht. Da nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die Tatsachen, in denen ein verfahrensrechtlicher Mangel erblickt wird, in der Revisionsbegründung bestimmt angegeben werden müssen, war diese Rüge in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Generalstaatsanwalts bei dem Kammergericht hierzu schon wegen ihrer Unbestimmtheit zurückzuweisen. Die ergänzenden Ausführungen, die die Verteidigung in der Hauptverhandlung vor dem Senat gemacht hat, die aber nach §352 Abs.1 StPO unbeachtlich waren, schienen dahin zu gehen, dass schon bei der Aufstellung der Urliste Vorschläge der politischen Parteien zugrunde gelegt worden seien. Tatsächliche Anhaltspunkte hierfür hat der Senat nicht. Obgleich die Rüge schon wegen ihrer Unbestimmtheit zurückzuweisen und für den Senat daher kein Anlass gegeben war, dem ganzen Verfahren für die Auswahl der Schöffen und Geschworenen von der Aufstellung der Urliste bis zur Auslosung nachzugehen, hat der Senat es angesichts der Bedeutung dieser Rüge für die gesamte Rechtsprechung in Berlin für erforderlich gehalten, zu der aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen. Das Gerichtsverfassungsgesetz enthält über die bei der Auswahl der Schöffen und Geschworenen aus der Urliste zu beachtenden Grundsätze keine näheren Bestimmungen. Bei Löwe-Hellweg-Rosenberg, 19.Aufl., Anm.7 zu §42 GVG wird ausgeführt, dass in den