Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.720

 

Leiters der Tötungsanstalt Hartheim, Dr. Lonauer. Im November 1941 wurde dem Lagerkommandanten mitgeteilt, dass in der nächsten Zeit eine Ärztekommission im Konzentrationslager erscheinen werde, um die Häftlinge auszumustern. Mit Schreiben vom 10.Dezember 1941 kündigte der Inspekteur der Konzentrationslager die "Ärztekommission" an und gab Anweisungen für deren Arbeit. In dem Schreiben hiess es u.a.:

"Wie den Lagerkommandanten der Konzentrationslager Dachau, Sachsenhausen, Buchenwald, Mauthausen und Auschwitz mit dem Bezugsschreiben mitgeteilt wurde, wird in der nächsten Zeit die Ärztekommission die vorgenannten Konzentrationslager zur Ausmusterung von Häftlingen aufsuchen.

Für die Konzentrationslager Flossenbürg, Gross-Rosen, Neuengamme und Niederhagen ist die 1.Januarhälfte 1942 für diese Überprüfung vorgesehen.

Da die zur Verfügung stehenden Ärzte sehr stark in Anspruch genommen sind, müssen die Überprüfungsarbeiten in den Konzentrationslagern, soweit es irgend geht, abgekürzt werden.

In der Anlage wird Muster eines Meldebogens als Vorlage zur Vorarbeit übersandt. Diese Formblätter sind im Abzugsverfahren herzustellen und auszufüllen. Auf diesem Muster ist die Beantwortung einzelner Fragen vorgenommen, dieselben sind rot unterstrichen, nur diese Fragen brauchen beantwortet werden. Bezüglich einzelner Fragen werden noch folgende Erläuterungen gegeben:

Die Frage "körperl. unheilb. Leiden" ist nach Möglichkeit nicht nur mit Ja oder Nein, sondern mit kurzer Angabe der Diagnose zu beantworten. Ausserdem ist auch die Frage der Kriegsbeschädigung festzustellen, weil diese eine wesentliche Erleichterung bei der Überprüfungsarbeit der Ärztekommission gewährleistet. Wenn der Raum bei den Fragen "Delikt" und "Frühere Straftaten" nicht ausreicht, ist die Beantwortung auf der Rückseite des Meldebogens vorzunehmen, wie es auf dem Muster vermerkt ist. Einzelne Vorstrafen sind nicht aufzuzählen, es ist nur über die hauptsächlichen Vorstrafen kurz zu berichten, die einzelnen Delikte sind nur kurz aufzuführen. Welche Häftlinge für die Vorführung in Frage kommen, ist aus den im Fragebogen gestellten Fragen ersichtlich. Sämtliche vorhandene Akten und Krankenblätter sind der Kommission auf Verlangen zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen.

Die Adjutanten der Konzentrationslager Flossenbürg, Gross-Rosen und Neuengamme werden zwecks mündlicher Anweisung in dieser Angelegenheit zur gegebenen Zeit nach hier befohlen werden. Nach Abschluss der Untersuchungen ist dem Inspekteur der Konzentrationslager Bericht zu erstatten, dabei ist die Zahl der der Sonderbehandlung "14 f 13" zugeführten Häftlinge zu melden. Der genaue Zeitpunkt des Eintreffens der Ärztekommission wird rechtzeitig bekanntgegeben."

 

In dem Meldebogen waren Rubriken für Angaben über die Personalien des zu benennenden Häftlings, über seine Rasse, über die Dauer und den Grund seiner Inhaftierung sowie über etwaige Straftaten, unheilbare körperliche Leiden und über Kriegsbeschädigungen vorgesehen.

 

Die Auswahl der zu tötenden Häftlinge durch die Lagerärzte bzw. die "Ärztekommission" fand anlässlich von Appellen statt. Die Häftlinge mussten an den Ärzten vorbeigehen und diese entschieden durch Handzeichen oder ähnlich, ob der jeweilige Häftling nach rechts oder nach links herauszutreten habe. Es handelte sich nur um eine ganz grobe äusserliche "Untersuchung", wobei es im Wesentlichen darauf ankam, ob die Häftlinge nach dem äusseren Eindruck noch arbeitsfähig erschienen oder nicht. Das Verfahren wurde überhaupt sehr oberflächlich gehandhabt. Es gab keinerlei Garantien dafür, dass nur unheilbar kranke Häftlinge herausgesucht wurden. In einzelnen Fällen gelang es den Mithäftlingen einzelne Opfer vor der Tötung in Hartheim zu bewahren, notfalls durch Austauschen gegen andere