Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.719

 

Die an der Tötung beteiligten Hilfskräfte, z.B. die Heizer, bekamen eine besondere Entlohnung sowie Zuteilungen von Alkohol. Die genaue Anzahl der auf diese Weise in allen Tötungsanstalten getöteten Geisteskranken ist nicht bekannt. Der Zeuge Nohel, der in Hartheim als Heizer beschäftigt war, hat die Anzahl der insgesamt in Hartheim getöteten Menschen auf etwa 30000 geschätzt.

 

Trotz der Geheimhaltungsmassnahmen war bekannt geworden, dass die Nationalsozialisten Geisteskranke töteten. Dies hatte zur Folge, dass von verschiedenen Seiten, insbesondere von kirchlichen Stellen, Protest erhoben wurde. Möglicherweise aufgrund dieser Proteste ordnete Hitler im August 1941 an, dass mit der Tötung Geisteskranker innegehalten werde. In den Tötungsanstalten wurde von diesem Zeitpunkt an nur noch im Rahmen der "Sonderbehandlung 14 f 13" Massentötungen durchgeführt.

Diese sogenannte Aktion 14 f 13 betraf die Tötung kranker Häftlinge aus den Konzentrationslagern. Bereits spätestens im Herbst 1941 war die "Euthanasieaktion" auf Häftlinge aus den Konzentrationslagern ausgedehnt worden. Auf Veranlassung Himmlers sandte die Organisation sogenannte "Ärztekommissionen" 137 in die verschiedenen Konzentrationslager mit der Aufgabe, die Häftlinge zu untersuchen und die Kranken zur Tötung auszusondern. Zuvor wurden Meldebogen in die Konzentrationslager gesandt mit dem Auftrag, diese Bogen, soweit möglich, durch Personal im Konzentrationslager vorzubereiten, damit die Arbeit der "Ärztekommission" schneller vonstatten gehen konnte.

 

Die entsprechenden Anordnungen gelangten auch zum Kommandanten des Konzentrationslagers Mauthausen. Der Leiter der Tötungsanstalt Schloss Hartheim, der SS-Hauptsturmführer Dr. Lonauer, suchte den Lagerkommandanten Ziereis auf und führte verschiedene Vorbesprechungen mit ihm. Ziereis rief dann die SS-Führer des Kommandanturstabes, darunter auch den Angeklagten Schul., zu sich und besprach mit ihnen die Durchführung der Aktion. Jeder Abteilung wurden die ihr obliegenden Aufgaben zugeteilt. Die politische Abteilung in Verbindung mit dem Standesamt erhielt insbesondere die Aufgabe, die Totenscheine vorzubereiten, den Schriftverkehr mit auswärtigen Stellen betreffend die getöteten Häftlinge zu erledigen, anhand von ihr zu erstellenden Listen die karteimässigen und sonstigen beim Tode eines Häftlings in der politischen Abteilung zu erledigenden Arbeiten vorzunehmen. Schul. verabredete mit Ziereis, um den Arbeitsanfall gleichmässig zu verteilen, dass die Todestage der Häftlinge gleichmässig über die in Frage kommenden Zeiträume und unabhängig vom wirklichen Tag der Vergasung angegeben wurden. Als Ort des Todes wurde nach aussenhin stets das Konzentrationslager Mauthausen bzw. Gusen angegeben. In den innerhalb des Konzentrationslagers geführten Büchern wurden die nach Hartheim transportierten Häftlinge jedoch regelmässig als zum "Erholungslager Dachau" überstellt aufgeführt. Es sollte der Anschein erweckt werden, als kämen die kranken Häftlinge in ein besonderes Erholungslager, wo sie wieder gesund gepflegt werden sollten. Es wurde auch vom "Genesungslager Dachau" gesprochen. Diese Tarnung wurde nicht durchgehend eingehalten. In einzelnen Todesmeldungen und ähnlichen Urkunden ist auch von einer Überstellung nach Hartheim die Rede. Aus Geheimhaltungsgründen wurden auch in der politischen Abteilung nicht, wie sonst üblich, die dort beschäftigten Häftlinge zur Mitarbeit herangezogen. Die mit der "Aktion 14 f 13" verbundenen Arbeiten wurden vielmehr in der politischen Abteilung allein von eigens dazu ausgewählten SS-Unterführern erledigt. Später wurde auch dies nicht mehr genau eingehalten.

 

Spätestens im August 1941 wurde im Lager Mauthausen und im Nebenlager Gusen damit begonnen, die Häftlinge auszuwählen, die in Schloss Hartheim getötet werden sollten. Die Auswahl erfolgte zunächst durch die Lagerärzte, möglicherweise auch unter Mitwirkung des

 

137 i.d.V.: Ärztekommission.