Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXI

Verfahren Nr.694 - 701 (1968 - 1969)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.701a LG Stuttgart 13.03.1969 JuNSV Bd.XXXI S.697

 

Lfd.Nr.701a    LG Stuttgart    13.03.1969    JuNSV Bd.XXXI S.718

 

nationalsozialistischen Führung den Anspruch zu, gegenüber rassisch Verfemten das Recht zu leugnen und Untergebenen die Begehung klaren Unrechts an ihnen abzuverlangen; er war bereit zu gehorchen, weil er sich durch die hinter ihm stehende Machtfülle des Staates vor Strafe sicher glaubte und die nationalsozialistische Verachtung andersartiger Rassen teilte. Nach seiner ganzen inneren Einstellung befasste sich deshalb Zie. genauso wenig wie Soh. jemals mit dem Gedanken, sich gegen die ihm zugedachte Aufgabe als Kommandoführer des Teilkommandos 1005 B zu sperren oder den bereits übernommenen Auftrag durch eigene Bemühungen wieder loszuwerden oder ihn wenigstens soweit wie möglich zu hintertreiben.

 

B) Die einzelnen Einsätze der beiden Teilkommandos bis Februar 1944

 

1. Kiew

 

Der praktische Einsatz des Sonderkommandos 1005 im Südabschnitt der Ostfront begann in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Dort lagen in Babij-Yar, einer Schlucht neben dem jüdischen Friedhof am nordöstlichen Stadtrand, und in deren nächster Umgebung hauptsächlich zwei grosse Massengräber mit zusammen mindestens 50.000 Leichen getöteter Zivilisten, vorwiegend ermordeter Juden, von denen über 33.000 bei der geschichtsbekannten Massenerschiessung vom 29. und 30.9.1941 dem Einsatzkommando Blobels zum Opfer gefallen waren. Man hatte die Toten in der Schlucht durch Herabsprengen der aus Sand gebildeten Seitenwände begraben. Danach diente das unübersichtliche und sandige Gelände weiterhin bis in die Tatzeit hinein für die deutschen Vernichtungsinstanzen als Exekutionsstätte. So liess der Zeuge E. 418, seinerzeit SS-Obersturmbannführer und bis Ende August 1943 KdS in Kiew, dort durchschnittlich etwa einmal in der Woche Zivilgefangene aus dem Gefängnis seiner Dienststelle liquidieren. Ausserdem kann angenommen werden, dass die Leichen von schätzungsweise ca 25.000 erschossenen russischen Menschen in einem ehemaligen Panzergraben in Babij-Yar zurückgelassen wurden. Die näheren Umstände hierzu sind allerdings nicht bekannt. Jedoch steht fest, dass auch diese Opfer zum grössten Teil im Zuge der "Endlösung der Judenfrage" und des allgemeinen SS-Terrors gegen die ansässige Zivilbevölkerung widerrechtlich umgebracht worden sind.

 

Noch vor Mitte August 1943, unmittelbar nach der Grundsatzbesprechung bei Blobel, nahm das Sonderkommando 1005 A unter der unmittelbaren Leitung Baumanns die ersten Vorbereitungsarbeiten in Babij-Yar auf. Blobel persönlich hatte Baumann und dem Zeugen Han. die Stelle gewiesen, an welcher begonnen werden sollte. Die Angehörigen des Kommandos bezogen zunächst, ohne genau zu wissen, um was es ging, auf dem jüdischen Friedhof Quartier, wobei zusätzlich zu einem bereits vorhandenen festen Steingebäude für die Ordnungspolizisten eine Baracke errichtet worden war. Nur wenige hundert Meter entfernt davon lag das sogenannte "Arbeitserziehungslager" Syrezk, das unter der Leitung des wegen seiner Grausamkeit und Brutalität gefürchteten SS-Sturmbannführers Radomski - ebenfalls Träger des Goldenen Parteiabzeichens - stand und in welchem durchschnittlich zwischen 2.000 und 3.000 russische Zivilgefangene zum Arbeitseinsatz festgehalten wurden. Aus diesem Lager wurde dem Sonderkommando 1005 A in den ersten Tagen eine zahlenmässig je nach Bedarf wechselnde Gruppe von Häftlingen zur Verfügung gestellt, die zur Vorbereitung der Exhumierungen eine Schneise in den Bewuchs des Geländes schlagen, Sichtschutzzäune errichten und zwei Erdbunker zur späteren Unterbringung der für die Grabarbeiten bestimmten Häftlinge bauen mussten. Diese zuerst eingesetzten Gefangenen wurden von den Ordnungspolizisten noch täglich am Tor des Lagers übernommen, zur Arbeit geführt und danach wieder zurückgebracht. Die Ordnungspolizisten dürften in diesem Stadium nur - wahrscheinlich sogar mehrfach - zu strengstem Stillschweigen verpflichtet worden, aber noch

 

418 Siehe Lfd.Nr.526.