Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.715

 

dass Kranke durch das Törchen in Richtung Lager III weggeführt worden seien. Das dritte Lager sei 3 Kilometer entfernt gewesen. Der Zeuge hat davon berichtet, dass nach der Flucht von einem Waldkommando die übriggebliebenen zurückgeführt und alle Arbeitsjuden aufgestellt worden seien. Aus den beiden Gruppen seien dann insgesamt 50 bis 60 Juden herausgesucht worden und in der Gegenwart der anderen erschossen worden. Bei späterer Vernehmungsgelegenheit hat sich dann herausgestellt, dass der Zeuge noch einen weiteren Vorfall schemenhaft erinnert, der mit einem Waldkommando zu tun hat. Bei dem ihm nur noch dunkel in Erinnerung gebliebenen Vorfall sei es so gewesen, dass 5 Juden im Wald geflüchtet seien, hierzu wisse er aber nichts Näheres mehr. Es habe tatsächlich noch weitere Erschiessungsvorfälle gegeben, in denen gruppenweise Menschen erschossen worden seien, davon wisse er aber nichts Genaueres mehr, jedenfalls, so hat der Zeuge weiter bekundet, seien auch Holländer davon betroffen gewesen. Bei jenem Vorfall, bei dem er anwesend gewesen sei, hätten 8 SS-Männer mit Maschinenpistolen die etwa 40 bis 50 oder 60 Mann erschossen, das sei auf dem Platz unmittelbar vor den Baracken geschehen, nicht im Bereich zwischen Lager II und III; der Vorfall habe sich im Juli oder August 1942 ereignet. Demgegenüber habe sich der andere Holländer-Fall, an den er sich aber nur ungenau erinnere und bei dem vielleicht ca. 80 Männer abgeführt worden seien zum Töten, im Februar 1943 ereignet.

 

1966 habe er sich an andere Einzelheiten erinnert, jetzt falle ihm nichts mehr ein. Der Zeuge verriet grössere Unsicherheiten den Lageraufbau betreffend. Befragt nach einem SS-Mann namens Glenda - gemeint ist Bol. - hat der Zeuge bekundet, jener sei im Bereich der Gaskammern eingesetzt gewesen, er wisse daher nicht Einzelheiten. Er ist schliesslich im Zusammenhang mit diesem SS-Mann darauf gekommen, jener sei mit einem Hund umhergegangen; nach Erzählungen anderer Gefangener habe Glenda ihn auf die Gefangenen gehetzt; er habe den Hund "Mensch" und die Gefangenen "Hund" genannt.

 

Im Zuge der Verlesung des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen Wai. hat der Angeklagte Frenzel erklärt, er sei kein Alkoholiker gewesen, habe auch nicht regelmässig in Sobibor viel getrunken; wohl sei abends mal ein Wodka oder ein selbstgebrannter Likör getrunken worden. Reichleitner hätte es auch nicht geduldet, wenn so viel getrunken worden wäre, wie der Zeuge bekundet habe. Wohl hätte mal Bauer oder Rehwald mehr als die anderen getrunken, er hätte jedenfalls nicht häufiger oder gar regelmässig unter Alkohol gestanden. Wenn er gefragt werde, ob die Tätigkeit in Sobibor nur unter Alkohol zu ertragen gewesen sei, könne er das verneinen.

 

Der ebenfalls in Donesk vernommene Zeuge Semjon Ros., 1922 geboren, hat bekundet, er sei aus dem Kriegsgefangenenlager Minsk mit anderen jüdischen Leidensgenossen am 22. oder 23.September 1943 nach Sobibor gebracht worden. Mit anderen sei er in ein Arbeitskommando eingeteilt worden; sie hätten unter anderem Ziegel entladen müssen. Kommandant im vorderen Lagerteil sei Frenzel gewesen. Von ihm und Wagner sowie G. hätten die Gefangenen, die nicht schnell genug gelaufen seien, etwas mit der Peitsche bekommen. Schon bei seiner Ankunft sei er von älteren Gefangenen gewarnt worden, den Frenzel, den man auch "Franz" genannt habe, zu meiden. Aus ihrem Kriegsgefangenentransport seien 80 Mann ausgesondert worden, die zu den vorhandenen 400 Arbeitsjuden hinzugekommen seien. Nach ihrem Transport seien noch weitere 4 oder 5 Transporte im Lager eingetroffen. Gesehen habe er jene Transporte nicht. Immer, wenn sie gehört hätten, wie der Panzermotor im Lager III gearbeitet habe, hätten sie aber gewusst, dass ein Transport angekommen und die Menschenvernichtung durchgeführt worden sei. Bei solchen Gelegenheiten hätten Frenzel, Wagner und G. ausserdem Maschinenpistolen getragen.

 

Frenzel habe täglich die Gefangenen aus nichtigsten Gründen geschlagen. Frenzel, G. und Wagner hätten geschlagen, sie ständig in Angst gehalten.