Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.714

 

davon gesprochen hat, 2 Kinder gehabt zu haben, die beide umgebracht worden seien, und zwar zugleich mit ihrem Ehemann, während sie in der Vernehmung später und erst nach Vorhalten aus Entschädigungsakten erklärt hat, eine ältere Tochter sei gemeinsam mit ihr im Lager am Leben geblieben und mit ihr geflohen. Sie erinnere sich nicht daran, dass während ihrer Flucht aus dem Lager Schüsse zu hören gewesen seien.

 

In einem späteren Vernehmungsstadium hat die Zeugin zwar einige Einzelheiten bekundet, dass etwa Kinder von Deutschen dadurch erschlagen worden seien, dass man sie an den Beinen gehalten und mit den Köpfen an harte Gegenstände geschlagen habe. Da die Zeugin aber ebenso wie die Zeugin Grü. keine Zusammenhänge zu bestimmten Deutschen, insbesondere dem Angeklagten, hergestellt hat, hat die Kammer auf diese Erklärungen keine Feststellungen gegründet.

 

Der russische, bei der ukrainischen Staatsanwaltschaft in Donesk vernommene Zeuge Aleksej Wai., 1922 geboren, ist im Gegensatz zu den weiteren russischen Zeugen, die als Häftlinge des Lagers Sobibor vernommen worden sind, nicht erst im Herbst 1943, sondern seinen Bekundungen zufolge bereits im Juni 1942 dorthin gekommen. Er hat bekundet, nicht Jude zu sein oder gewesen zu sein; danach sei er auch in Sobibor nicht gefragt worden, man habe sich auch nicht melden dürfen, sonst wäre man erschossen worden. Er sei mit einem Transport aus Tarnopol, der mehrere tausend Menschen umfasst habe, nach Sobibor gekommen. Aus seinem Transport seien 30 Männer als Arbeitskräfte herausgesucht worden. 40 Männer seien zu der Zeit bereits im Lager als Arbeitshäftlinge gewesen. Er sei im Sortierbereich eingesetzt gewesen. Bei der Ankunft seines Transportes habe er nur gesehen, wie die ersten 6 Waggons abgefertigt worden seien, die Menschen seien aus den Waggons getrieben, dabei geschlagen worden; Tötungen habe er nicht gesehen.

 

Er erinnere sich an Wagner, Frenzel, G.; sie seien diejenigen gewesen, die die Leute besonders häufig misshandelt hätten, sie seien durch Grausamkeiten aufgefallen. Auch andere SS-Männer hätten geschlagen, vor allen Dingen Frenzel habe häufig geschlagen. Ihm, dem Zeugen, habe er einmal 25 Hiebe erteilt. Dabei habe er, der Zeuge, selbst laut zählen müssen, sei nackt gewesen. Er habe nicht gesehen, dass Kapos geschlagen hätten, das hätten die SS-Männer selbst getan. Frenzel sei jeden Tag betrunken gewesen, dann sei er besonders grausam aufgetreten. Frenzel habe sie auch Übungen machen lassen, habe sie dann auf dem Platz vor den Baracken umhergejagt, sie singen lassen. Habe jemand die Reihe nicht eingehalten oder den Gleichschritt verloren, habe er einen Schlag mit der Peitsche bekommen. Die Gefangenen hätten sich auf die Erde legen, dann wieder aufstehen und wieder hinlegen müssen. Wer das nicht ausgehalten habe, habe Peitschenschläge bekommen.

 

Wagner, Frenzel und G. seien auch deswegen durch ihre Grausamkeit aufgefallen, weil sie Schiessübungen auf Gefangene durchgeführt hätten. Er könne sich insbesondere und ganz genau an Frenzel erinnern. Jener habe anlässlich solcher Schiessübungen ungefähr 400 Menschen innerhalb eines Jahres getötet. Unter nichtigem Vorwand seien dann Gefangene als Zielscheiben aufgestellt worden. Auch G. habe viele Menschen getötet, Frenzel aber drei- bis viermal so viele. Nach weiteren Vorhalten, insbesondere früherer Aussagen, hat sich in der Vernehmung ergeben, dass der Zeuge insbesondere im Jahre 1975 sich nicht sicher gewesen ist, dass Frenzel jemals selbst geschossen habe, allenfalls, dass er bei solchen "Schiessübungen" anwesend gewesen sei. Der Zeuge ist aber dabei geblieben. Auch in jenen Erklärungen, in denen nur Wagner und G. als die Schützen genannt würden, sei Frenzel jedenfalls als anwesend beschrieben; von daher sehe er eigentlich keine Widersprüche zu seinen früheren Bekundungen.

 

Von dem Bereich der Sortierung aus sei ein Törchen in Richtung Lager III gegangen. Dort hindurch seien Kranke und andere geführt worden, die im Lager III erschossen worden seien. Dort habe Frenzel häufiger auf Gefangene geschossen. Frenzel habe auch veranlasst,