Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.711

 

Der beim Bezirksgericht Haifa in Israel kommissarisch vernommene Zeuge Mordechai Gol., geboren 1920, hat bekundet, er sei etwa im September/Oktober 1942 nach Sobibor gekommen, jedenfalls in einem Transport mit dem Zeugen Tho., der seinerzeit noch Tic. hiess. Schon am ersten Tag habe er Frenzel kennengelernt. Frenzel und Wagner hätten zusammen im Lager Sobibor praktisch alles gemacht; die höheren Offiziere habe man dort nur gesehen, eingegriffen hätten die nicht. Frenzel habe das Bahnhofskommando unter sich gehabt. Es seien viele Menschen an der Rampe erschossen worden. Ob das von Ukrainern oder SS-Leuten gemacht worden sei, hätten sie, die Arbeitsjuden, nicht gewusst. Einmal habe er beobachtet, dass ein älterer Mann, der nicht habe weitergehen wollen, von Frenzel angeschrieen worden sei, sich gebückt habe, Sand hochgenommen und durch die Hand habe rieseln lassen. Dabei habe er zu Frenzel gewandt gesagt, so wie dieser Sand zerfliege, so würden auch sie zerfliegen. Frenzel sei daraufhin ganz wild geworden, habe ihn mit dem Fuss getreten, von der Rampe auf die Lorenschienen geworfen und erschossen. Das habe er, der Zeuge, selbst erlebt. Auf den Loren, die dort bei Transportankunft bereitgestanden hätten, seien Verletzte und Tote ins Lager III gefahren worden. Eine ähnliche Situation habe es mal gegeben, als ein Transport mit Pferdewagen und zu Fuss gekommen sei; als Männer und Frauen sich hätten trennen müssen, hätten sich ein Mann und eine Frau einen Abschiedskuss gegeben, das habe Wagner gesehen, sei darüber wütend geworden und habe den Mann zu Boden geworfen und ihm den Kopf mit seinem Stiefel zerquetscht. Wagner und Frenzel hat der Zeuge dafür benannt, Nachschüsse gegeben zu haben, als bei der Erschiessung der restlichen Mitglieder des Waldkommandos einige nicht sofort tot gewesen seien. Bei früheren, mit dem Zeugen jetzt erörterten Gelegenheiten, hat er mal Wagner und ein anderes Mal Frenzel ausschliesslich dafür benannt, Nachschüsse gegeben zu haben. Zu dem Fall, bei dem etwa 70 Holländer getötet worden sind, hat der Zeuge nichts Spezifisches bekundet über die Rolle Frenzels. Zu der Behandlung Kranker im allgemeinen hat er erklärt, Wagner und Frenzel hätten hierbei die Anordnungen getroffen, dass jene ins "Lazarett" zu bringen seien. Auch G. habe das mal getan, auch schon mal andere. Ihm war zwar Kurt Tic., nicht aber ein Arzt oder Zahnarzt bekannt, der etwas für Kranke getan habe. Zu weiteren erörterten Einzelheiten, wie sie sich insbesondere in früheren Vernehmungen des Zeugen wiedergefunden haben, hat dieser nunmehr keine Tatsachen mehr bekunden können, die unmittelbare oder mittelbare Schlüsse auf die Handlungen Frenzels im Lager Sobibor ermöglicht hätten.

 

Über seine Tätigkeit im Lager Sobibor hat der Zeuge bekundet, er sei dort eingesetzt gewesen als Schildermaler, habe dort Wegweiser, aber auch andere Schilder, z.B. mit der Bezeichnung "Schwalbennest" gemalt, mit denen ein Häuschen im Vorlager geschmückt worden sei. Mit dem Zeugen ist erörtert worden. dass er in eidesstattlichen Versicherungen im Rahmen von Entschädigungsverfahren Angaben gemacht hat, er sei nach seinem Aufenthalt in Sobibor noch im KZ Majdanek und im KZ Mauthausen gewesen. Er hat eingeräumt, derartige Angaben fälschlich gemacht zu haben. Auch in Pegnitz habe er falsch angegeben in jenen beiden Konzentrationslagern gewesen zu sein. Er habe seinerzeit in das DP-Lager aufgenommen werden wollen. Er habe auch Zeugen beigebracht, die selbst nicht in Sobibor gewesen seien, um mit deren Hilfe nachzuweisen, dass er dort inhaftiert gewesen sei.

 

Der beim Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in New York kommissarisch vernommene Zeuge Herman Pos., 1909 geboren, hat ausgesagt, er sei am 14.März 1943 nach Sobibor gekommen, dort sei er als Tischler eingesetzt gewesen. Frenzel sei Chef des Lagers I gewesen. Ihn, den Zeugen, habe er einmal mit der blossen Hand geschlagen, so dass er einen Zahn direkt, einen weiteren später verloren habe; er sei auch ein weiteres Mal von Frenzel, und zwar mit einem Brett, geschlagen worden.

 

Vom Waldkommando seien mal zwei Männer nach Töten eines Ukrainers geflohen, einer sei Pod. gewesen, der später in den USA gelebt und mit dem er zusammen zum erste Hagener Sobibor-Verfahren gefahren sei. Der habe berichtet, was im Wald vorgefallen sei. Aus dem Lager III hätten mal die Arbeitshäftlinge fliehen wollen, dieserhalb einen Tunnel gegraben