Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXI

Verfahren Nr.694 - 701 (1968 - 1969)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.701a LG Stuttgart 13.03.1969 JuNSV Bd.XXXI S.697

 

Lfd.Nr.701a    LG Stuttgart    13.03.1969    JuNSV Bd.XXXI S.710

 

ernannt. Von Januar 1962 bis Dezember 1964 war der Angeklagte für das Schwurgericht Wuppertal in der genannten Mordsache zunächst in Untersuchungshaft und ab Januar 1968 in Strafhaft. Inzwischen hat er einen neuen Arbeitsplatz in der Rechtsabteilung eines grösseren Autohauses gefunden.

 

Verheiratet ist Helfsgott seit Dezember 1938. Er hat aus dieser Ehe 3 Kinder (2 Töchter und 1 Sohn); zwei davon stehen noch in der Ausbildung und sind auf die finanzielle Unterstützung des Elternhauses angewiesen.

 

Weitere Vorstrafen hat der Angeklagte nicht. Er hat in vorliegender Sache auch keine Untersuchungshaft erlitten.

 

D) Zur Person und Laufbahn des Angeklagten Kir.

 

Kir.s Vater war Bierfahrer. Der Angeklagte wuchs als einziges Kind im Elternhaus in geordneten Verhältnissen auf und besuchte von 1914-1922 in Berlin die Volksschule. Eine anschliessende Lehre als Herrenschneider schloss er mit der Gehilfenprüfung ab und arbeitete zunächst als Geselle weiter bei seinem Lehrmeister. Da ihm der offenbar auf Geheiss seines Vaters ergriffene Schneiderberuf nicht recht zusagte, trat Kir. am 10.10.1927 als Polizeianwärter in die Schutzpolizei ein. Nach einjähriger Ausbildung auf der Polizeischule Brandenburg wurde er der Polizeiverwaltung Berlin zugewiesen und in Berlin-Treptow stationiert. Er will vor 1933 Mitglied der SPD gewesen sein, was er allerdings nach aussen stets zu verbergen wusste. Jedenfalls fungierte der Angeklagte von April 1938 an in Berlin-Treptow als NSV-Blockwalter. Dienstlich war er inzwischen zu einem Berliner Verkehrsunfallkommando versetzt worden.

 

Im März 1938 hatte er als Kradfahrer am sogenannten Österreicheinsatz teilgenommen. Aufgrund eines entsprechenden Erlasses von Himmler beantragte Kir. deshalb am 1.12.1938 mit Erfolg seine Aufnahme in die allgemeine SS. Erst danach wurde er planmässiger Beamter und zum Polizeihauptwachtmeister befördert. Nach Beginn des II.Weltkriegs trat der Angeklagte am 1.7.1940 noch in die Partei ein. Auf Empfehlung eines Bekannten wechselte er zum RSHA über und wurde dort nach wenigen Monaten Polizeiverwaltungssekretär im Amt II. Er fungierte dort bis 1943 als eine Art Rechnungsführer, dem hauptsächlich die Angestelltenbesoldung oblag.

 

Im April 1943 wurde Kir. in den Osten abgeordnet und zunächst bei der Dienststelle des BdS in Kiew in Personalsachen verwendet. Im Sommer 1943 gab ihn sein Vorgesetzter, der Zeuge Go., für das Sonderkommando 1005 im Südabschnitt der Front frei. Dort blieb Kir. während der ganzen Zeit bis Herbst 1944. Anschliessend nahm auch er - wie der Angeklagte Helfsgott - mit der z.b.V.-Einsatzgruppe "Iltis" am Partisanenkrieg in den österreichischen Grenzbezirken teil, bis er im April 1945 nochmals nach Berlin versetzt wurde. Es gelang ihm, sich von dort noch vor den anrückenden russischen Streitkräften abzusetzen. Von 1946 bis Anfang 1950 wurde er dann aber doch, angeblich auf eine Denunziation der Mutter seiner ersten Frau hin, wegen seiner SS-Zugehörigkeit von der russischen Besatzungsmacht im Lager Buchenwald festgehalten.

 

1936 hatte der Angeklagte zum erstenmal geheiratet. Diese Ehe wurde 1946 wieder geschieden. Der aus der Ehe hervorgegangene Sohn ist inzwischen erwachsen und wirtschaftlich vom Angeklagten unabhängig. Seit 1951 ist Kir. zum zweiten Mal in Berlin verheiratet. Er zog mit seiner Frau, die selbst Schneidermeisterin ist, in den Berliner Westsektor und machte dort eine kleine Schneiderwerkstatt auf. 1954/55 legt er auch die Meisterprüfung als Herren- und Damenschneider ab. Er begann seinen Betrieb auszubauen und Konfektionskleidung herzustellen. Ab 1956 geriet er jedoch zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Weil Kir. keine Beiträge mehr an die AOK abführte und erhebliche