Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXI

Verfahren Nr.694 - 701 (1968 - 1969)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.701a LG Stuttgart 13.03.1969 JuNSV Bd.XXXI S.697

 

Lfd.Nr.701a    LG Stuttgart    13.03.1969    JuNSV Bd.XXXI S.708

 

der Angeklagte Soh., bei seinen Vorgesetzten als altverdienter Parteigenosse und SS-Führer, dessen rückhaltlose und stete Einsatzbereitschaft für die nationalsozialistischen Ziele zweifelsfrei war.

 

Nach der Zeit, deren Geschehen Zie. zum Tatvorwurf gereicht, wurde er im Februar 1944 nach Berlin zurückbefohlen und dort wieder dem Amt VI des RSHA, also dem Auslandsnachrichtendienst zugewiesen. Mit Ausnahme einer kurzen Abkommandierung in die Slowakei zu einem z.b.V.-Kommando verblieb der Angeklagte bis gegen Kriegsende in Berlin, von wo aus er nach seinen Angaben Anfang April 1945 abgezogen wurde und über Pressburg, Klagenfurt nach Graz gelangte. Dort geriet er mit gefälschten Papieren in englische Kriegsgefangenschaft. Diese und die anschliessende Internierung in Italien einschliesslich eines langwierigen Lazarettaufenthaltes in Westfalen währten bis April 1947.

 

Im April 1949 wurde der Angeklagte seinen Angaben zufolge von der Spruchkammer Hamburg-Bergedorf wegen SS-Zugehörigkeit zu DM 600,- Geldstrafe, die durch die erlittene Internierung als getilgt galt, verurteilt.

 

Zie. heiratete 1939 zum ersten Mal. Seine Frau erschoss die gemeinsame fünfjährige Tochter und sich selbst bei Kriegsende. Anfang 1949 schloss der Angeklagte eine zweite Ehe, aus welcher drei noch in der Ausbildung stehende Kinder (2 Töchter und 1 Sohn) hervorgegangen sind. Er lebt derzeit mit seiner Familie in einem eigenen, allerdings noch nicht schuldenfreien Reihenhaus in Hamburg-Volksdorf. Beruflich schlug sich Zie. - der als 60% erwerbsgemindert anerkannt wurde, KB-Rente bezieht und anfangs auch Arbeitslosenunterstützung bezog - in der ersten Zeit mit journalistischer Tätigkeit durch. Wohl schon bald begann er zugleich wieder nachrichtendienstlich zu arbeiten. Er intensivierte sein Wirken auf diesem Gebiet unter Hintanstellung der Journalistik so, dass er ab Mitte August 1961 sogar fest in das Angestelltenverhältnis übernommen wurde. Nach Bekanntwerden der Anklageerhebung in vorliegender Sache wurde Zie. allerdings fristlos entlassen, so dass die Familie mit den unterhaltsbedürftigen Kindern derzeit vorwiegend von der Erwerbstätigkeit seiner Frau abhängt.

 

Vorbestraft ist der Angeklagte nicht. Er hat in vorliegender Sache auch keine Untersuchungshaft verbüsst.

 

C) Zur Person und Laufbahn des Angeklagten Helfsgott

 

Helfsgott ist das älteste von vier Kindern eines Landwirts. Er wuchs im Elternhaus zusammen mit seinen Geschwistern auf. Nach zweijährigem Volksschulbesuch in Barschdorf trat Helfsgott 1919 in die Oberrealschule in Liegnitz ein. Er bestand dort Anfang 1929 die Reifeprüfung. Weil sich die ursprünglich von ihm in Aussicht genommene Berufslaufbahn eines Offiziers der Handelsmarine in der damaligen Wirtschaftskrise nicht verwirklichen liess, nahm der Angeklagte nach einem Handelsschullehrgang und vorübergehender Beschäftigung in Liegnitz in einer Auskunftei im Frühjahr 1930 das Studium der Rechtswissenschaft auf. Er studierte in Wien, Breslau und Jena insgesamt 6 Semester, musste aber schliesslich das Studium aus wirtschaftlichen Gründen doch aufgeben.

 

Da ihn der Wehrdienst anzog, nahm der Angeklagte im Winter 1931/32 an einer achtwöchigen schwarzen Reichswehrausbildung und im Herbst 1933 an einem Geländesportlehrgang teil. Politisch war Helfsgott im übrigen wenig interessiert. Von Mai 1933 bis Oktober 1934 gehörte er allerdings der SA, zuletzt mit dem Dienstgrad eines Rottenführers an. Dies mochte mit seiner teilweise gleichzeitigen Tätigkeit als Wehrsportausbilder für das SA-Hochschulamt in Jena zusammenhängen.