Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.707

 

Eine weitere Gruppe überlebender jüdischer Zeugen konnte ausschliesslich kommissarisch vernommen werden. Einige dieser Zeugen leben in Israel bzw. Nordamerika und sind dort auch vernommen worden, die anderen sind sowjetischer Staatsangehörigkeit und sind in der Sowjetunion vernommen worden. Die letztgenannte Gruppe besteht aus den 4 Zeugen Ros., Tab., Pet. und Wei., die sämtlich in der zweiten Septemberhälfte 1943 mit einem Transport russischer, jüdischer Kriegsgefangener von Minsk kommend nach Sobibor verbracht worden sind, dieserhalb auch nur Eindrücke wiedergeben konnten, die sich auf diese Schlussphase und den Aufstand im Lager Sobibor beziehen. Ausserdem gehört zu dieser letztgenannten Gruppe der Zeuge Wai., der bereits im Sommer 1942 in das Lager Sobibor gekommen sein will. Ein weiterer in Russland vernommener Zeuge - En. - hat im Lager kurze Zeit als ukrainischer Wachmann Dienst verrichtet.

 

Polnische, nichtjüdische Zeugen, von denen vier in Hagen, weitere in Polen kommissarisch vernommen worden sind, kannten das Lager nur von aussen, waren als Bahnbedienstete auf der Bahnstation Sobibor beschäftigt. Auf diese Zeugenaussagen wird in einem späteren Zusammenhang eingegangen.

 

Nachstehend werden die Aussagen der kommissarisch vernommenen Zeugen im wesentlichen nur insoweit wiedergegeben, wie sie sich auf die allgemeine Mitwirkung Frenzels im Vernichtungsbetrieb des Lagers Sobibor beziehen.

 

Der beim Bezirksgericht Tel Aviv in Israel kommissarisch vernommene Zeuge Izchak Lic., geboren 1908, hat bekundet, er habe bis zum 15.Mai 1942 in Zolkiewka gelebt. An jenem Tag seien die Juden jenes Städtchens zusammengetrieben, sodann auf einem Fussweg von etwa 28 Kilometer bis nach Krasnystaw getrieben und von dort schliesslich per Bahn in das ca. 35 Kilometer entfernte Sobibor transportiert worden. Wenn es in einem Wiedergutmachungsantrag aus 1954 heisse, er sei dort von Januar 1941 bis Oktober 1943 gewesen, so sei jene Angabe falsch. Er habe in Sobibor als Schuster gearbeitet; in der Baracke, in der die Werkstatt gewesen sei, habe er auch gelebt. Insbesondere in der Anfangszeit habe man von dort aus bis auf die Rampe sehen können. Seinerzeit habe er gesehen, wie Wägelchen für Kranke da gewesen seien, die von der Bahnrampe aus wegtransportiert worden seien.

 

Frenzel, der die Transporte häufig empfangen, dabei geschlagen und die Menschen getrieben habe. habe ihm, dem Zeugen, nur einmal einen Schlag erteilt; die Handwerker im Lager hätten es besser als die einfachen Arbeiter gehabt. Frenzel habe häufig die Appelle abgenommen. Andere SS-Leute hätten das auch getan, jene dann oft ohne Schikanen auszuüben. Frenzel habe demgegenüber zu den ärgsten gehört, der sie oft gequält habe. K. habe zu den guten, auch Karl Ludwig zu jenen wenigen guten gehört. Wenn er in einer Aussage 1945 Falasta als den grössten "Henker" bezeichnet habe, dann deswegen, weil jener im Lager III gewesen sei. Neben Wagner sei Frenzel der wichtigste für sie gewesen, habe jenen vertreten. Die hohen Offiziere wie z.B. der Lagerkommandant, seien zwar auch schon mal zu ihnen gekommen, hätten aber nicht in den tatsächlichen Ablauf der Dinge eingegriffen.

 

Auch Paul Groth habe sich hervorgetan; beim Appell habe er schon mal den einen oder anderen Arbeiter gefragt, "Bist Du krank? Dann kommst Du ins Lazarett" und diejenigen, die nicht gewusst hätten, was das "Lazarett" gewesen sei, hätten sich dann sogar noch gemeldet und seien weggeführt worden. Dass Frenzel kranke Häftlinge des Lagers ins "Lazarett" geschickt habe, habe er nicht gesehen, könne sich auch nicht erinnern, das von anderen gehört zu haben.

 

Wohl habe er von anderen Mithäftlingen gehört, dass Frenzel im Lager II, nicht aber im Lager I, viele einzelne Personen getötet haben solle, so z.B. einen Jungen, den er dabei ertappt gehabt habe. eine Dose Ölsardinen weggenommen zu haben. In diesem Zusammenhang hat sich durch Vorhalte ergeben, dass der Zeuge bei früheren Vernehmungsgelegenheiten