Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXI

Verfahren Nr.694 - 701 (1968 - 1969)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.701a LG Stuttgart 13.03.1969 JuNSV Bd.XXXI S.697

 

Lfd.Nr.701a    LG Stuttgart    13.03.1969    JuNSV Bd.XXXI S.700

 

Menschentieren eine anständige Einstellung einnehmen, aber es ist ein Verbrechen gegen unser eigenes Blut, uns um sie Sorge zu machen. ... Unsere Sorge, unsere Pflicht, ist unser Volk und unser Blut. ... Alles andere kann uns gleichgültig sein. Ich wünsche, dass die SS mit dieser Einstellung dem Problem aller fremden, nichtgermanischen Völker gegenübertritt, vor allem den Russen ..."

 

Dass bei solch unmenschlicher, radikaler Grundeinstellung des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD auch die nicht unter die "Endlösung" fallende Ostbevölkerung, die durch keine Gerichtsbarkeit vor Willkür geschützt war, terrorisiert wurde und in den Jahren der deutschen Besatzung auch unzählige nichtjüdische Menschen getötet wurden, ohne dass sie etwas nach gültiger allgemeiner Rechtsanschauung Todeswürdiges getan hätten, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden. Jedenfalls steht fest, dass bei Massenerschiessungen grösseren Ausmasses stets die ganz überwiegende Zahl der Opfer unschuldig war und ohne jede Berechtigung aus rassisch-politischen Gründen ermordet wurde. An den zahlreichen Erschiessungsstätten blieben regelmässig umfangreiche Massengräber zurück, wobei die oberste Schicht der z.T. entkleideten Leichen oft nur oberflächlich zugedeckt wurde.

 

Da der Vormarsch des deutschen Heeres zunächst weiter anhielt, wurde im eroberten russischen Gebiet eine deutsche Zivilverwaltung aufgebaut (Reichskommissariate, Generalbezirke und Hauptbezirke). Ungeachtet der allgemeinen Verwaltung wurden stationäre Dienststellen der Sicherheitspolizei und des SD errichtet, deren Personal sich mindestens anfangs hauptsächlich aus den Einsatzgruppen rekrutierte. Dennoch bestanden bewegliche Einsatzgruppen für den Einsatz bei den Armeen im Rücken der Front neben den stationären Dienststellen weiter. Sie unterstanden in der Regel dem örtlichen "Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD" (BdS). Die BdS waren zuvor meist selbst die Führer der danach stationär gewordenen und nur z.T. mobil gebliebenen Einsatzgruppen gewesen. Ihnen unterstellte man im Regelfall mehrere jeweils für ein Teilgebiet zuständige "Kommandeure der Sicherheitspolizei und des SD" (KdS) nebst Aussenstellen. Der BdS unterlag den Weisungen des RSHA in Berlin. Entsprechend wurde die an der Spitze ebenfalls von Himmler in seiner Eigenschaft als Chef der deutschen Polizei repräsentierte Ordnungspolizei (Schutzpolizei und Gendarmerie) in die übergeordneten Dienststellen der "Befehlshaber der Ordnungspolizei" (BdO) und der ihnen unterstellten "Kommandeure der Ordnungspolizei" (KdO) gegliedert. Die ausserdem bestehende Einrichtung der "Höheren SS- und Polizeiführer" (HSSPF) und der ihnen nachgeordneten "SS- und Polizeiführer" (SSPF), die Heydrich und dem RSHA nicht unterstanden, sondern als Himmlers unmittelbare Repräsentanten ebenfalls (nie klar abgegrenzte) sicherheitspolizeiliche Kompetenzen und Weisungsbefugnisse hatten, ist für den vorliegenden Fall nur am Rande von Interesse, so dass Weiteres dazu nicht ausgeführt zu werden braucht.

 

Die stationären Dienststellen der Sicherheitspolizei und des SD setzten als Nachfolgeinstitution der hinter der vorrückenden Front weiterziehenden beweglichen Einsatzgruppen das begonnene verbrecherische Werk in der Folge konsequent fort. Waren in der ersten Zeit im allgemeinen wenigstens solche Juden verschont geblieben, die als Arbeitskräfte für die Kriegswirtschaft verwendet werden konnten, so wurden ab dem Frühsommer 1942 auch die Ghettos und Lager, in welchen diese Menschen konzentriert worden waren, allmählich von ihnen geräumt und das ganze Gebiet "judenfrei" gemacht, d.h. alle restlichen einheimischen Juden, derer man habhaft werden konnte, wurden ebenfalls getötet. Des weiteren rollten vorwiegend im Sommer und Herbst 1942, aber auch schon früher, laufend die berüchtigten Judentransporte aus Deutschland und den unter deutscher Herrschaft stehenden europäischen Staaten zur physischen Vernichtung dieser Personen in die Vernichtungslager. Ausserhalb dieser Lager trat neben die Liquidierung der jüdischen Menschen durch Massenerschiessungen, wie sie die Angehörigen der stationären Dienststellen der Sicherheitspolizei und des SD - ausgenommen die Zeit des Sommers und Herbstes 1942, in der sie die Vernichtungstransporte zu organisieren hatten - weiterhin vornahmen, auch die Tötung der Opfer in den