Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.526a LG Karlsruhe 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.69

 

Lfd.Nr.526a    LG Karlsruhe    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.70

 

 

GRÜNDE

 

Feststellungen zur Person

 

I.

 

Der heute 51 Jahre alte Angeklagte E. wurde am 14.10.1910 in Giengen a.d.Brenz als Sohn des dortigen Stadtpflegers und späteren Bürgermeisters geboren. Er wuchs in seinem Elternhaus auf und bestand nach dem Besuch der Volksschule und der Mittelschule im Heimatort und des Realgymnasiums in Heidenheim a.d.Brenz im Jahre 1928 das Abitur. Danach studierte er an den Universitäten Kiel, Berlin und Tübingen Staats- und Rechtswissenschaften und beendete sein Studium im Jahre 1933 mit der Ersten Juristischen Staatsprüfung. Den Vorbereitungsdienst als Gerichtsreferendar brach er bald nach seinem Beginnen im März 1934 wieder ab und gab somit seine juristische Berufsausbildung auf. Von nun an widmete er sich uneingeschränkt den Zielen des sog. Dritten Reiches. So war er schon am 15.5.1931 in die SA und am 1.6.1931 in die NSDAP eingetreten; in der SA führte er bald einen Sturm und war schon im Mai 1933 Sturmführer und im Dezember desselben Jahres Obersturmführer geworden.

Nach seinem Ausscheiden aus dem juristischen Vorbereitungsdienst arbeitete der Angeklagte E. hauptamtlich bei der SA. In den Jahren 1934 und 1935 unterstand er dem Chef des Ausbildungswesens und leitete auf SA-Sportschulen Lehrgänge für Studenten in Sport und Wehrertüchtigung. In diese Zeit fällt auch sein Austritt aus der evangelischen Kirche im Juni 1934, weil, wie es in seinem handgeschriebenen Lebenslauf vom 31.3.1935 heisst, "ihm die Tätigkeit der christlichen Kirchen während und nach der Kampfzeit zuwider war und seine innere Haltung derjenigen der christlichen Kirchen zuwiderlief".

 

Als die Organisation des Chefs des Ausbildungswesens der SA im Jahre 1935 aufgelöst wurde, trat E. am 22.6.1935 zur SS über und wurde beim SD im Abschnitt Würzburg als SS Untersturmführer angestellt. Im September 1935 wurde er in das SD Hauptamt nach Berlin berufen. Dort war er Stabsführer bei der Zentralabteilung II 1 (Juden - Konfessionen - Gegner), die dem in Nürnberg zu 20 Jahren Gefängnis verurteilten damaligen SS-Hauptsturmführer und späteren SS-Brigadeführer Dr. Six unterstand, und Leiter der Hauptabteilung II 11.

In diese Zeit fällt die sog. Reichskristallnacht vom 9./10.11.1938, an deren Berichterstattung E. als stellvertretender Leiter der Abteilung II 1 unmittelbar beteiligt war. Auch war ihm durch seine Tätigkeit dort die Einstellung des nationalsozialistischen Gewaltregimes zur Judenfrage und die Gesetzgebung dazu bekannt geworden.

Er selbst war Antisemit und bereit, die judenfeindlichen Massnahmen des Nationalsozialismus, dem er sich verschrieben hatte, zu unterstützen und mit durchzuführen. Er wurde jetzt auch in schneller Folge über den SS-Obersturmführer (20.4.1936), SS-Hauptsturmführer (9.11.1936), SS-Sturmbannführer (12.3.1938) zum SS-Obersturmbannführer (30.1.1939) befördert.

 

Im Frühjahr 1938 war E. beim Aufbau der SD-Dienststelle in Wien und 1 Jahr später in gleicher Weise in Prag beteiligt. Nach dann wieder vorübergehender Tätigkeit beim SD-Hauptamt in Berlin, rückte er Anfang September 1939 mit einem Einsatzkommando unter dem SS-Standartenführer Meissinger in den Polenfeldzug und wurde sodann Abteilungsleiter III beim Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD (Meissinger) von Warschau.

Sein Wehrdienst füllt nur den kurzen Zeitraum von April bis August 1940. Nach einer Ausbildung bei der Leibstandarte SS Adolf Hitler nahm E. als SS-Sturmmann - und ab Juli 1940 als SS-Rottenführer bei einer SS-Kriegsberichterkompanie am Frankreichfeldzug teil.

Danach nahm er von August 1940 bis Februar 1941 - wieder in seinem alten Dienstgrad als SS-Obersturmbannführer - einen Sonderauftrag des Reichsführers SS bei Quisling in Oslo wahr; es sollte dort eine norwegische SS Truppe aufgestellt werden.