Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXI

Verfahren Nr.694 - 701 (1968 - 1969)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.701a LG Stuttgart 13.03.1969 JuNSV Bd.XXXI S.697

 

Lfd.Nr.701a    LG Stuttgart    13.03.1969    JuNSV Bd.XXXI S.699

 

bekannte Wannseekonferenz vom 20.1.1942, bei der es unter Heydrichs Regie nur noch um die Verständigung wichtiger Ressortchefs von dem im Osten bereits in Angriff genommenen Vernichtungsplan ging, ein klares geschichtliches Zeugnis ab. Demgemäss wurde nach dem schnellen Vorstoss der deutschen Wehrmacht in den russischen Raum sogleich mit der Verwirklichung des Mordvorhabens an der jüdischen Rasse begonnen. Vor dieser Zeit schon waren als wichtige vorbereitende Massnahmen für die "Endlösung" die Juden in Polen und dem übrigen von Deutschland besetzten Ostgebiet in Ghettos zusammengetrieben worden. Die Judendeportationen aus Deutschland und Westeuropa in den Osten waren im Gange. Im Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) wurde der Mord an den Juden alsbald fabrikmässig betrieben und mit dem Aufbau des Vernichtungslagers Auschwitz war ebenfalls schon lange vor der Wannseekonferenz angefangen worden.

 

Neben der Sicherung des rückwärtigen Gebiets und der Nachschubwege hauptsächlich zur Durchführung der systematischen Tötung aller Juden in den eroberten Ostgebieten wurden von Heydrich, der als Leiter des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) bis zu seinem Tod am 6.6.1942 für die organisatorische Seite verantwortlich zeichnete, vier sogenannte "Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD" aufgestellt. Die Einsatzgruppen, aufgeteilt in die Buchstaben A, B, C und D, waren ihrerseits wieder untergegliedert in Einsatzkommandos und Sonderkommandos und setzten sich vornehmlich aus Angehörigen der Sicherheitspolizei (Sipo), also der Geheimen Staatspolizei und der Kriminalpolizei, und des Sicherheitsdienstes (SD) zusammen. Sie folgten der vorrückenden deutschen Armee nach dem 22.6.1941 dicht auf und entfalteten im besetzten Gebiet - hinter der Front und unbehelligt vom wirklichen Kriegsgeschehen - ihre blutige Tätigkeit. Aufgrund ihrer Unabhängigkeit vom Oberkommando der Wehrmacht und der dadurch gewährleisteten Beweglichkeit waren die Einsatzgruppen ein äusserst wirksames Instrument zur Ausrottung der ansässigen jüdischen Bevölkerung, wenn sie schliesslich auch später in ihrer Bedeutung von den im besetzten Polen eingerichteten grossen Massenvernichtungslagern übertroffen wurden.

 

Die Einsatzgruppen führten 1941/42 eine Unzahl von Massenerschiessungen hauptsächlich von wehrlosen und schuldlosen jüdischen Männern, Frauen und Kindern in den Ostgebieten aus. Die ausserdem noch aus sonstigen Gründen liquidierten Personen (politische Kommissare, nationale Widerstandskämpfer, Saboteure u.ä.) fielen zahlenmässig dagegen kaum ins Gewicht. Dabei bedarf es besonderer Erwähnung, dass die Tötung auch solcher nicht als Juden verfolgter Menschen nur zu einem verschwindend geringen Teil durch anerkannte kriegsrechtliche Grundsätze, wie etwa das Recht auf Erschiessung echter Partisanen im Rücken der Front oder ertappter wirklicher Spione, gedeckt war. In aller Regel lag den Liquidierungen letztlich nie etwas anderes als nationalsozialistischer Rassenwahn zugrunde. Er machte nicht etwa bei der Bekämpfung der jüdischen Rasse halt, wenngleich diese als der Hauptfeind galt. In ihrer Verblendung war den Nationalsozialisten vielmehr von vornherein auch alles übrige "Fremdvölkische" minderwertig und suspekt. Die daraus erwachsene Menschenverachtung und das durch nichts gerechtfertigte rigorose Vorgehen auch gegen die nichtjüdische Bevölkerung der eroberten Ostgebiete veranschaulicht sich besonders deutlich in der bekannten Rede Himmlers, die er noch am 4.10.1943 bei der SS-Gruppenführertagung in Posen hielt. Himmler erklärte wörtlich:

"... Wie es den Russen geht, wie es den Tschechen geht, ist mir total gleichgültig. Das was in den Völkern an gutem Blut unserer Art vorhanden ist, werden wir uns holen, indem wir ihnen, wenn notwendig, die Kinder rauben und sie bei uns grossziehen. Ob die andern Völker in Wohlstand leben oder ob sie verrecken vor Hunger, das interessiert mich nur so weit, als wir sie als Sklaven für unsere Kultur brauchen, anders interessiert mich das nicht. Ob bei dem Bau eines Panzergrabens 10.000 russische Weiber an Entkräftung umfallen oder nicht, interessiert mich nur insoweit, als der Panzergraben für Deutschland fertig wird ... Wir Deutsche, die wir als einzige auf der Welt eine anständige Einstellung zum Tier haben, werden ja auch zu diesen