Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.693

 

Wagner habe so etwas wie ein "Strafkommando" gegründet. Die dorthin geschickten hätten 3 Tage sehr schwer und nur im Laufschritt arbeiten müssen, sie seien irgendwie kenntlich gemacht gewesen. Diese Tortur habe nur einer überlebt, das sei ein Leon Friedmann gewesen. Dieses Strafkommando habe zu einer späteren Lagerzeit existiert, vielleicht im Sommer 1943; bestanden habe es möglicherweise 6 Wochen lang. Das sei wohl eine Idee von Wagner gewesen, ob er es auch kommandiert habe, wisse er nicht. Wenn sonst von "Hinlegen, Aufstehen, Hüpfen usw." die Rede sei, sei das etwas anderes. Das sei auch eine Art Quälerei gewesen, die sei von Frenzel ausgegangen. Das sei aber etwas anderes als das "Strafkommando". Frenzel habe auch einen Hund Barry dabeigehabt. Wenn ihm vorgehalten werde, dass er den eigentlich gar nicht gekannt haben könne, so meine er, dass es dann eben ein anderer, zweiter Hund gewesen sei. Allgemein gesehen bestehe schon die Gefahr, dass man als Zeuge nach so langer Zeit Personen verwechseln könne. Er könne nur sagen, dass er jedenfalls nichts Falsches willkürlich sagen werde bzw. gesagt habe. Dass ihm Fehler unterlaufen könnten, könne er nicht ausschliessen, bewusst lügen würde er jedoch nicht. Er habe sich auch während des damaligen Hagener Verfahrens nicht beeinflussen lassen, als Miriam Novitch ihn im Hotel angesprochen habe.

 

Er habe gewisse Unsicherheiten, eine Begebenheit zeitlich ganz sicher einzuordnen, bei der Frenzel sie veranlasst habe, herumzumarschieren, sich dabei die Hände jeweils auf die Schulter des Vordermanns legend. Der erste habe so etwas wie ein improvisiertes Kreuz tragen müssen, er erinnere sich noch, wie Frenzel gesagt habe, "wo habt ihr euren Judenbengel"; alle SS-Männer seien belustigt gewesen. Das sei sehr dicht um Weihnachten gewesen.

 

Die Kammer geht davon aus, dass der Angeklagte während der Weihnachtstage nicht in Sobibor, sondern in seiner Heimat gewesen ist; konkrete Bekundungen anderer Zeugen, die dieses Aussagedetail des Zeugen Kurt Tho. weiter erhärten würden, sind nicht mehr gemacht worden, der angesprochene Vorfall ist als nicht feststellbar angesehen worden. Schlussfolgerungen, die die Beweiswürdigung im übrigen betreffen könnten, hat das Gericht nicht hierauf gestützt, auch die allgemeine Glaubwürdigkeit des Zeugen Tho. wird nicht erschüttert, weil so ein Vorfall stattgefunden haben kann. Die vom Zeugen vorgenommene zeitliche Zuordnung auf Weihnachten war ohnehin als Schlussfolgerung erkennbar, die der Zeuge wegen der erlebten Äusserlichkeiten vorgenommen hat, die in Ermangelung der Möglichkeiten für einen Häftling, sich im Lager an einem Kalender zu orientieren, auch verständlich gewesen ist.

 

Über die SS-Männer im allgemeinen und insbesondere zu Frenzel könne er nur sagen, dass die Deutschen im Lager alles in einem gewesen seien: Polizei, Richter, Vollzugsgewaltige und Henker. Das Lager sei sozusagen ein Staat im Staate gewesen, keiner habe Einfluss gehabt, die SS-Leute seien Meister des Lagers gewesen und im Verhältnis zu den jüdischen Sträflingen hätten sie tun können, was sie nur gewollt hätten. Wenn er, der Zeuge, z.B. gefragt werde, ob Frenzel denn überhaupt von sich aus hätte einen Mann wie Dr. Bresler töten können, könne er nur sagen, dass schon die Frage lächerlich sei. Alle SS-Leute hätten jedes Recht gehabt, alles willkürlich zu tun. Dass dort jemals einer hätte Rede und Antwort stehen müssen, habe er jedenfalls nicht beobachtet.

 

Frenzel und Wagner seien, wie viele andere auch, beide brutal gewesen. Sie hätten sie aber auch deswegen am meisten gefürchtet, weil sie eben am häufigsten mit ihnen zu tun gehabt hätten. Nach ihnen hätten sie noch mit G., vielleicht auch mit Bauer Kontakt gehabt. Es habe aber natürlich auch andere Unterschiede noch gegeben. Während die meisten SS-Männer eifrig, manche besonders eifrig gewesen seien, sei z.B. Johann K., von Beruf Bäcker, jemand gewesen, der nicht so gewesen sei. Es habe auch noch weitere SS-Leute gegeben, die schon mal weggeschaut hätten, wenn sie gesehen hätten, dass einer von den Juden etwas gemacht habe, was an sich verboten gewesen sei. So hätten sich Juden an den jüdischen Feiertagen, an denen sie, die gläubigen Juden, kein Brot hätten essen dürfen, schon mal mehr Kartoffeln weggenommen gehabt, als eigentlich erlaubt gewesen sei. Das habe einer der