Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.692

 

aus dem G.-Verfahren 419, war er sich nicht sicher, ob Frenzel den Appell abgenommen und ob vielleicht sogar ein Dritter die Rede gehalten habe. Es sei schon möglich, dass er sich früher anders erinnert habe.

 

Ähnliche Erinnerungsprobleme habe er zu dem Vorfall, bei dem zwei Maurer - jedenfalls zwei Handwerker - in einer regnerischen Nacht geflohen seien. Am nächsten Morgen hätten sie antreten müssen und jeder 10. sei herausgeholt und als Geisel erschossen worden für die Flucht der 2, zur Warnung. Nach dem Herausholen der Leute sei der stellvertretende Lagerleiter Jonny Niemann gekommen. Er meine, dass dem erklärt worden sei, was los sei. Daraufhin habe der die Anzahl der abzuführenden auf die Hälfte erniedrigt, also etwa von 20 auf 10. Er sehe ein, dass er bei früheren Vernehmungen andere Verantwortliche genannt habe; so habe er 1946 zwar das Ereignis im Kern geschildert ohne einen Deutschen konkret zu benennen, 1949 habe er Niemann als denjenigen bezeichnet, der die Juden habe antreten lassen, der die Zahl der Herausgesuchten reduziert und schliesslich die übriggebliebenen 10 Männer direkt in die Arme G.s und Bauers geführt habe. Während er 1949 Frenzel gar nicht erwähnt habe, habe er demgegenüber 1961 Wagner dafür benannt, die 20 herausgenommen zu haben. Heute sei er sich, der Zeuge, nur noch sicher, dass Niemann die Zahl der 20 auf 10 ermässigt habe. Auch wenn er 1965 dann Frenzel genannt habe, ausdrücklich die Erklärung von 1961 insoweit berichtigend, könne er das jetzt nicht mehr genau bestimmen. Heute habe er an die Details keine Erinnerung mehr. Er meine, dass der Vorfall eher im Frühling 1943 gewesen sei; es könne sein, dass der eine ein Zimmermann, der andere ein Maurer gewesen sei. Bei einer anderen Gelegenheit seien vom Waldkommando aus mehrere Männer geflohen gewesen. Er könne sich im Moment nicht mehr sicher erinnern, welche SS-Leute dann hinterher dabei gewesen seien. Auch nach Vorhaltungen seiner Erklärungen aus den Jahren 1949, 1961 und 1965 seien ihm nicht mehr viele Details eingefallen. Er habe wohl die Vorstellung, dass Nachschüsse gegeben seien, Frenzel könne er heute nicht mehr dafür benennen. Er meine, die zurückgebrachten seien in kleineren Gruppen erschossen worden. Sie alle hätten zusehen müssen. Im Lager habe es einen Mann gegeben, der "Radio" geheissen habe, der stehe irgendwie im Zusammenhang mit dem Vorfall, der sich beim Waldkommando ereignet habe. Er habe keine sichere Vorstellung, ob der vielleicht nach 1 bis 2 Tagen wieder eingefangen und ins Lager gebracht worden sei.

 

Es habe einen Schweinestall gegeben, von Zeit zu Zeit seien Schlachtungen gewesen. Einmal sei ein Schwein verendet, angeblich habe das Schwein Goldmünzen geschluckt gehabt. Ein Schweinehirt sei dann furchtbar geschlagen worden, er sei beschuldigt worden, den Tod des Schweines verursacht zu haben. Er glaube, dass der später an einem Zaun erschossen worden sei, erinnere sich aber nur noch an Erzählungen hierüber. Der für die Schweine verantwortliche habe Saul oder Shol gehiessen, es sei ein hoher, schlanker Mann gewesen. Den Vorfall selbst habe er, der Zeuge, nicht gesehen, glaube aber schon im Lager gehört zu haben, dass Frenzel das mit dem Shol gewesen sei.

 

Über Lager III etwas zu sagen sei sehr schwer, weil man praktisch keinen Sichtkontakt dahin gehabt habe. Plötzlich sei aber kein Proviant mehr dorthin geliefert worden, da sei keiner mehr zu füttern gewesen und es sei gesagt worden, dass alle tot seien. Man habe auch eine Knallerei gehört gehabt und danach sei kein Proviant mehr geliefert worden. Er erinnere sich nicht mehr, ob damals davon die Rede gewesen sei, dass die einen Tunnel gegraben gehabt hätten. Bald danach sei wieder Proviant hingeliefert worden und es sei klar gewesen, dass die neue Arbeitsjuden dort gewesen seien.

 

419 Siehe Lfd.Nr.233.