Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.689

 

Häftlinge aus dem Krematoriumskommando hatten anschliessend die erschossenen Häftlinge zur Seite zu legen und zum Krematorium zu bringen, und die Erschiessungen nahmen in gleicher Weise ihren Fortgang. War die Exekution beendet, marschierte das Exekutionskommando ab. Die SS-Führer gingen häufig von der Richtstätte in die Kantine, wo sie Alkohol tranken. Häftlinge des Desinfektionskommandos mussten anschliessend den Exekutionsplatz mit Desinfektionsmitteln bestreuen.

 

Erschiessungen in der Genickschussanlage

 

Erschiessungen grösserer Gruppen von Häftlingen fanden auch in der Genickschussanlage statt, die sich in einem Vorraum des Krematoriums befand. Dort war an der Wand ein Gerät angebracht, das wie eine Messlatte aussah, mit welcher die Körpergrösse gemessen werden sollte. In der Mitte dieser Messlatte befand sich ein Schlitz, hinter dem die Wand des Raumes durchbrochen war. Die zu exekutierenden Häftlinge mussten sich einzeln mit dem Rücken zur Wand vor die Messlatte stellen. Aus dem hinter der Messlatte gelegenen Raum wurden sie mit einem Schuss aus einem Kleinkalibergewehr, welches durch den Mauerdurchbruch und den Schlitz der Messlatte gesteckt wurde, erschossen.

 

Vergasungen in der Gaskammer

 

Im Winter 1941/42 und im Frühjahr bis Sommer 1942 wurde von einer auswärtigen, für die SS arbeitenden Firma Zentralheizungen in die Kommandanturbaracke und einer Anzahl weiterer Gebäude gelegt. Diese Firma errichtete auch im Keller des Krematoriums die Vergasungsanlage, die als Baderaum getarnt war. Nach Fertigstellung dieser Gaskammer wurden dort Exekutionen grösserer Gruppen von Häftlingen, insbesondere von Frauen, die zu erschiessen man sich scheute, durchgeführt. Das dafür erforderliche Giftgas bewahrte der Zeuge Josef Kat., ehemaliger SS-Unterscharführer, auf, der zugleich Leiter der Desinfektion war. Dieses Giftgas, das in Büchsen geliefert wurde, diente dem Zeugen sonst zu Desinfektionszwecken. Er musste zu den Vergasungen jeweils die benötigten Dosen Giftgas zur Vergasungsanlage bringen oder bringen lassen.

Den Häftlingen, die vergast werden sollten, wurde vorgespiegelt, sie würden geduscht werden. Sie traten zunächst in einen Vorraum, in dem sie sich auszuziehen hatten. Anschliessend mussten sie durch die luftdicht verschliessbare Tür den Vergasungsraum betreten. Auf der dem Eingang gegenüberliegenden Seite befand sich ebenfalls eine Tür, die zum Krematorium führte. Beide Türen hatten kleine runde verglaste Öffnungen, durch welche die Vorgänge im Vergasungsraum von aussen beobachtet werden konnten. Sobald die Häftlinge den Vergasungsraum betreten hatten, wurden die Türen luftdicht verschlossen und das Giftgas wurde durch als Heizungsröhren getarnte Leitungen in die Gaskammer eingeströmt. Nach wenigen Minuten waren die Häftlinge tot. Nach einiger Zeit wurde die Tür zum Krematorium geöffnet und Häftlinge des Krematoriumskommandos mussten die Leichen in den anschliessend gelegenen Kühlraum schaffen, wo sie danach im Krematorium verbrannt wurden.

 

Auch bei den durch Genickschuss oder durch Vergasung durchgeführten Exekutionen wurde von der politischen Abteilung ein Exekutionsprotokoll geführt. Auch in diesem Fall begab sich ein Angehöriger der politischen Abteilung als sogenannter "Zeitnehmer" zum Vergasungsraum bzw. zur Genickschussanlage, um den Todeszeitpunkt festzustellen. Da jedoch diese Todesarten bei den Exekutionen nicht im Schriftverkehr erwähnt werden durften, gab der betreffende "Zeitnehmer" jeweils unrichtige Todeszeitpunkte an, in der Weise, dass von Minute zu Minute je ein Häftling als verstorben notiert wurde. Auf diese Weise sollte der Anschein erweckt werden, als wenn es sich um eine Erschiessung gehandelt hätte. Entsprechend wurden die Todesfälle durch Exekutionen auch in den Totenbüchern eingetragen.