Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.686

 

Groth oder vielleicht auch Paul Rost seien mit Ruth zusammen gewesen. Paul Groth müsse es gewesen sein, denn der sei zunächst ein sehr schlechter Mensch gewesen, später habe er sich unter dem Einfluss von Ruth gebessert. Als Ruth dann getötet gewesen sei, sei das Reh später irgendwie ums Leben gekommen. Wie es zum Tod des Mädchens gekommen sei, wisse er nicht mehr. Das dritte Mädchen habe vielleicht Gretchen geheissen; wenn ihm vorgehalten werde, dass er früher Bauer mit einem oder den Mädchen in Verbindung gebracht habe, sei das sicher zutreffend gewesen. Die Mädel seien sehr beliebt gewesen, sie wären nach seiner Einschätzung auch nicht getötet worden, wenn nicht bekannt geworden wäre, dass hoher Besuch bevorgestanden habe. Man habe Paul Groth extra nach Treblinka geschickt, damit er nicht im Lager anwesend gewesen sei, als man die Mädchen liquidiert habe.

 

Im Vergleich zu früheren Vernehmungen, insbesondere im Bauer-Verfahren, hat sich gezeigt, dass der Zeuge über die Jahrzehnte hinweg aus der sich wandelnden Grundeinstellung zu den Vorkommnissen in seinen Zeugenaussagen wesentlich zurückhaltender geworden ist, nicht etwa nur erinnerungsverlustbedingt, sondern weil er sich erkennbar um differenziertere Bekundungen bemüht hat. Der Zeuge hat ausdrücklich erklärt, dass es richtig sei, dass er mit einigen der ehemaligen Sobibor-Häftlingen sehr viel Kontakt gehabt habe, dass es auch sein könne, dass über einzelne Dinge immer wieder gesprochen worden sei und sich dadurch Erinnerungsvermischungen und Verwechslungen von Erlebtem und Erzähltem ergeben hätten, ohne dass das noch zu trennen sei.

 

Der Zeuge Stanislaw Szm. (geboren 1927) hat bekundet, er sei am 12.Mai 1942 nach Sobibor gekommen. Er sei damals einer der ersten gewesen, der nicht sofort oder am Ende der Abwicklung eines Transportes getötet worden sei. Bei der Ankunft ihres Transportes hätten die Menschen zwar nicht gewusst, wo sie angekommen seien; es sei aber eine grosse Panik ausgebrochen, Schüsse und Schreie habe es gegeben, mit denen man sie herausgetrieben habe aus den Waggons. Wagner und auch Stangl seien an der Rampe gewesen. Er sei als Goldschmied herausgenommen worden, offiziell habe er später als Spengler gearbeitet, gleichwohl aber nebenbei auch Gold und Schmuck bearbeitet, Werte, die sich die Deutschen in einem gewissen Umfange mitgenommen hätten. In dieser Anfangszeit seien noch keine Baracken für die jüdischen Arbeitshäftlinge gewesen. Später sei das anders geworden. Zuletzt seien sie ja auch etwa 500 bis 600 Arbeitsjuden gewesen. Er selber sei später nicht mehr zu der Bahnrampe gekommen, habe sich vornehmlich in seinem Arbeitsbereich, der Spenglerei, die im Lager I angesiedelt gewesen sei, aufgehalten. Dort habe er auch ein Sauerstoffschweissgerät zur Verfügung gehabt. Er habe vieles gearbeitet, was für das Lager notwendig gewesen sei, sogar die Schienennägel für die Lorenbahnen, auch Minenattrappen. - Der Angeklagte Frenzel hat in der Hauptverhandlung bestätigt, den Zeugen Szm. schon in der Hauptverhandlung 1966 erkannt zu haben. Tatsächlich sei er Goldschmied und Spengler in Sobibor gewesen.

 

Der Zeuge hat bekundet, er habe Frenzel schon am ersten Tag gesehen, anfangs habe er ihn als Kommandanten der Ukrainer erlebt. - Hierzu hat der Angeklagte in Abweichung seiner bis dahin gegebenen Erklärung erklärt, das sei schon möglich, tatsächlich habe er zunächst einen Zug Ukrainer geführt und deren Einteilung als Begleitmannschaften für Kommandos vorgenommen. Es sei allerdings nach wie vor Lac. gewesen, der der Chef der Ukrainer insgesamt gewesen sei, aber er habe kurzfristig mit den Ukrainern zu tun gehabt, erst anschliessend sei er Leiter des Lagers I geworden.

 

Der Zeuge hat weiter bekundet, es sei Frenzel ab Sommer der Leiter des Lagers I gewesen. Dann habe er die Appelle abgenommen, alle Anordnungen im Lager I gegeben und sei das gewesen, was vorher Wagner gewesen sei. Er habe von da ab auch Bestrafungen ausgesprochen, jemanden auspeitschen lassen oder selbst geschlagen und habe, wenn immer er ins Lager gekommen sei, rumgebrüllt. Er sei so wie die anderen SS-Männer gewesen, sie alle hätten sich gefühlt wie ein Gott. Sie hätten das Sagen gehabt, das Leben der Juden hätte in