Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.682

 

die nicht per Bahn gekommen seien, sei auch nicht immer das Bahnhofskommando hinzugezogen worden.

 

Das von ihm bereits erwähnte Reh habe das jüdische Mädchen Ruth aufgezogen, mit einer Flasche genährt. Er habe das selbst gesehen, auch, dass Paul Groth ganz wild geworden sei, als er gehört habe, dass Ruth in seiner Abwesenheit getötet worden war.

 

Der Zeuge hat sich bemüht, besondere Transporte zeitlich einzuordnen. Er hat gemeint, der Transport aus Biala-Podlaska sei im Sommer 1942, derjenige aus Majdanek ebenfalls im Sommer 1942, derjenige aus Lemberg 1943 gewesen. Der Belzec-Transport sei auch 1943, der Transport aus Minsk, mit dem unter anderem Pet. ins Lager gekommen sei, sei im September 1943 gewesen. Ein bis zwei, jedenfalls einige Monate vor dem Aufstand sei ein Transport aus Wlodawa gewesen.

 

Auf Befragen hat der Zeuge eingeräumt, unrichtige eidesstattliche Versicherungen zugunsten des Awnon abgegeben zu haben; er habe sich seinerzeit von der Erklärung täuschen lassen, dass derjenige im Lager wirklich gewesen sei. Später habe er sich bemüht, das der Polizei in Israel gegenüber klarzustellen.

 

Der 1922 geborene Zeuge Samuel Ler. gehört zusammen mit Esther Raa. zu jenen Zeugen, die schon kurz nach ihrer Flucht aus Sobibor Schilderungen über das Lager abgegeben haben, von verschiedenen Institutionen vernommen worden sind. Sowohl im Berliner Bauer-Verfahren 410 als auch für das Frankfurter G.-Verfahren 411 hat der Zeuge wiederholt Aussagen gemacht. Im Rahmen des Hagener Sobibor-Verfahrens 412 ist er ebenso vernommen worden, wie im späteren Wiederaufnahmeverfahren G.s 413. Innerhalb der jetzigen Beweisaufnahme ist der Zeuge zunächst in Hagen, später noch einmal kommissarisch in New York ergänzend vernommen worden.

 

Der Zeuge Ler. hat ausgesagt, er sei im Mai 1942 nach Sobibor gekommen. Er habe dort vornehmlich im Lager II gearbeitet, sei bald für die Pflege der drei Pferde eingesetzt gewesen. Abgesehen davon, dass Frenzel auch zunächst mit die Aufsicht dort wahrgenommen habe, später sei das allerdings von Beckmann gemacht worden, habe Frenzel auch gern geritten, überhaupt Pferde gerne gehabt, und so sei zwischen ihnen ein besonderer Kontakt gewesen. Hinzu sei gekommen, dass er innerhalb der Lagerzeit für Frenzel Enten gemästet habe; auch deswegen habe dieser ihn geschätzt. Nur Wagner habe noch mehr Kompetenzen im Lager gehabt als Frenzel. Demgegenüber hätten sich Stangl, Reichleitner und Niemann zurückgehalten, hätten nur Befehle erteilt, und die Arbeit im Lager hätten sie die anderen machen lassen. Unter denen, die die Arbeit organisiert hätten, seien an erster Stelle Wagner und Frenzel gewesen. Dass Frenzel der Vertreter Wagners gewesen sei, könne er eigentlich nicht sagen, eher hätte man sie als Rivalen bezeichnen können, zutreffend sei allerdings, dass Wagner der "Spiess" gewesen sei.

 

Er habe tatsächlich bei unterschiedlichen Gelegenheiten in Aussagen unterschiedliche Akzente gesetzt, wer seines Erachtens der schlimmste im Lager gewesen sei. Das sei auch davon abhängig gewesen, wer gerade Beschuldigter gewesen sei. Andererseits habe er immer Wagner als den schlimmsten bezeichnet, Frenzel, G., Bauer und z.B. Bredow hätten ebenfalls zu den

 

410 Siehe Lfd.Nr.212.

411 Siehe Lfd.Nr.233.

412 Siehe Lfd.Nr.641/642.

413 Siehe Lfd.Nr.885.