Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXI

Verfahren Nr.694 - 701 (1968 - 1969)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.700 LG Dortmund 16.01.1969 JuNSV Bd.XXXI S.675

 

Lfd.Nr.700    LG Dortmund    16.01.1969    JuNSV Bd.XXXI S.679

 

Angehörige der deutschen Wehrmacht und der mit Deutschen zusammenarbeitenden serbischen Gendarmerie verübt. Um die Aufständischen niederzuhalten, wurden durch Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht vom 16.9.1941 schärfste Mittel angeordnet. Unter anderem wurde die Erschiessung von je 100 Geiseln für einen getöteten und von je 50 Geiseln für einen verwundeten deutschen Soldaten befohlen. Da die Wehrmachtsdienststellen nicht über genügend Geiseln verfügten, wurden diese in zahlreichen Fällen vom BdS in Belgrad aus den Insassen der von der Sicherheitspolizei eingerichteten Lagern zur Verfügung gestellt.

 

III. Die Lage der Juden und ihre Vernichtung in Serbien

 

Bereits im Jahre 1941 waren die nationalsozialistischen Machthaber bestrebt, die in Serbien lebenden Juden, deren Zahl sich nicht zuverlässig feststellen lässt, zu beseitigen. Sie wurden unmittelbar nach dem Einzug der deutschen Truppen in Lagern konzentriert. Bemühungen des deutschen Gesandten in Belgrad, sie in deutsche Konzentrationslager oder ausser Landes schaffen zu lassen, schlugen fehl. Als angebliche Vergeltungsmassnahmen für Überfälle Aufständischer auf deutsche Soldaten wurden jedoch im Verlaufe mehrerer Monate zunächst mehrere 1000 jüdische Männer im Rahmen der vom OKW erteilten Befehle erschossen.

 

Die übrigen serbischen Juden, zum überwiegenden Teil Frauen und Kinder, wurden gegen Ende des Jahres 1941 in das Lager Semlin verbracht. In diesem Lager befanden sich auch noch Zigeuner und politische Häftlinge, die etwa 10% der gesamten Lagerinsassen ausmachten. Das Lager befand sich auf einem ehemaligen Ausstellungsgelände der deutschen Botschaft in dem Belgrader Stadtteil Semlin (jugoslawisch: Zemun). Es lag auf dem Gebiet des neu errichteten kroatischen Staates und war von der Stadt Belgrad durch die Save getrennt. Von Belgrad aus war das Lager über eine Brücke zu erreichen, die von der deutschen Wehrmacht als Behelfsbrücke errichtet worden war. Bereits von der Brücke aus konnte das Lager eingesehen werden. Die zur Brücke gelegene Seite war nur wenige 100 Meter entfernt, während das an der von der Brücke aus gesehen abgelegenen Seite befindliche Lagertor etwa drei bis vier Kilometer entfernt war. Vom Lagertor zur Brücke führte eine Strasse.

 

Die Lagerinsassen waren in den früheren Ausstellungshallen und Pavillons notdürftig untergebracht. Um das Lager befand sich ein Stacheldrahtzaun, der von Angehörigen des Polizeibataillons 64 bewacht wurde. Das Lager war dem BdS in Belgrad unterstellt. Etwa Mitte Januar 1942 wurde der Angeklagte von seiner Dienststelle zum Beauftragten für das Lager Semlin berufen. Er richtete sich in einem der auf dem Lagergelände befindlichen Pavillons ein Büro ein und arbeitete in der Folgezeit mit den auf freiwilliger Basis errichteten Selbstverwaltungsorganen der Lagerinsassen zusammen. Dem Angeklagten oblag die Aufrechterhaltung der Ordnung im Lager. Er kümmerte sich auch um die Beschaffung von Brennholz und ähnliche Angelegenheiten. Während der Zeit, als er die Tätigkeit als Beauftragter für das Lager Semlin ausübte, hatte der Angeklagte in der Dienststelle des BdS kein Dienstzimmer. Er hatte dem Leiter der Abt.III beim BdS regelmässig über die Situation im Lager Bericht zu erstatten.

 

Die Zahl der Lagerinsassen wurde in sogenannten 10-Tagesmeldungen des kommandierenden Generals und Befehlshabers in Serbien an den Wehrmachtsbefehlshaber Süd-Ost regelmässig vermerkt. Nach der Meldung vom 10.März 1942 befanden sich am 26.Februar 5780 Personen (meist Frauen und Kinder) im Lager. Nach einer weiteren Meldung vom 19.März 1942 kamen zu dieser Zahl 500 weitere Juden, die nach Semlin geschafft worden sind. Mitte März war demgemäss das Lager mit insgesamt 6280 Personen belegt. Dabei handelte es sich nach der eigenen Einlassung des Angeklagten um etwa 90% Juden, so dass sich mindestens 5500 Juden im Lager befanden.