Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXI

Verfahren Nr.694 - 701 (1968 - 1969)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.700 LG Dortmund 16.01.1969 JuNSV Bd.XXXI S.675

 

Lfd.Nr.700    LG Dortmund    16.01.1969    JuNSV Bd.XXXI S.677

 

mitgeteilt haben, dass er über seine Tätigkeit als SS-Offizier keine Auskünfte machen solle, sonst drohe seine Erschiessung. Der Angeklagte führte in der Folgezeit den Namen Hans Meier und gelangte auf unaufgeklärten Wegen über Schweden und New York nach Venezuela. Dort wurde er zunächst als Angestellter in verschiedenen Hotels in Caracas tätig. Eine Zeitlang arbeitete er als Dolmetscher in einem Petroleum-Lager in Maracaibo. Er erhielt auch einen venezolanischen Pass auf den Namen Hans Meier-Muller. Den zweiten Namen will er entsprechend den Gepflogenheiten in Venezuela als Mutternamen zugefügt haben.

 

Im Jahre 1952 wurde der Angeklagte von seiner Ehefrau in Venezuela besucht. Sie wollte aber nicht dort bleiben und kehrte nach Österreich zurück. Daraufhin kam es zu einem Ehescheidungsverfahren, in welchem die Ehe des Angeklagten im Jahre 1953 geschieden wurde. In den Jahren 1958 und 1959 hielt sich der Angeklagte mehrmals in Österreich auf. Zuerst besuchte er seine Mutter in Salzburg. Sodann wohnte er zeitweilig in Wien, wo er unter dem Namen Meier-An. vorübergehend in einem Grundstücksverwaltungsbüro Beschäftigung fand. Sein Antrag vom 10.Oktober 1960 auf Erteilung eines österreichischen Dauervisums wurde am 31.1.1961 durch die zuständige österreichische Behörde abgelehnt. Der Angeklagte lebte in der Folgezeit weiter in Österreich und erhielt mehrere befristete Aufenthaltsgenehmigungen. Im Februar 1961 bewarb sich der Angeklagte auf eine Zeitungsannonce bei einem deutschen Reisebüro. Er wurde dort unter seinem richtigen Namen angestellt und erhielt vom Konsulat der Bundesrepublik Österreich in Hamburg auch einen auf seinen Namen lautenden österreichischen Reisepass. Seinen Hauptwohnsitz behielt der Angeklagte in Wien. Er meldete sich dort auch behördlich an. Infolge seiner Berufstätigkeit war er jedoch zumeist im Ausland tätig.

 

Am 3.Mai 1967 wurde der Angeklagte anlässlich einer Zwischenlandung während eines Fluges von Tunis nach Wien auf Grund eines Ersuchens der österreichischen Strafverfolgungsbehörden festgenommen und am 4.Juli 1967 an die österreichische Regierung ausgeliefert. Diese Massnahmen erfolgten im Rahmen eines beim Landesgericht für Strafsachen in Wien gegen den Angeklagten anhängigen Strafverfahrens, welches die gleiche Straftat zum Gegenstand hatte, wie das vorliegende Verfahren. Am 3.Juli 1968 wurde das österreichische Strafverfahren eingestellt, nachdem die zuständige österreichische Verwaltungsbehörde durch Beschluss vom 19.Juni 1968 festgestellt hatte, dass der Angeklagte infolge des Erwerbs der venezolanischen Staatsbürgerschaft nicht mehr die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Zugleich wurde er auf Grund des Auslieferungshaftbefehls des Amtsgerichts Dortmund vom 27.Mai 1968 in vorläufige Auslieferungshaft genommen und am 14.August 1968 auf Ersuchen des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen von den österreichischen Behörden ausgeliefert. Er hat sich von diesem Zeitpunkt an in deutscher Untersuchungshaft befunden.

 

Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.

 

II. Die geschichtlichen Grundlagen des Tatgeschehens

 

1.) Die nationalsozialistischen Massnahmen gegenüber den Juden

 

Von Beginn der nationalsozialistischen Bewegung an spielte der bedingungslose Judenhass eine zentrale Rolle. Die Juden im In- und Ausland wurden als Feinde des deutschen Volkes angesehen und ständig diskriminiert. Es folgte eine schrittweise Entrechtung der im deutschen Machtbereich lebenden Juden, nachdem Hitler am 30.1.1933 zum Reichskanzler ernannt worden war. Zunächst wurden die Juden durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4.1933 in der Berufswahl eingeschränkt. Sodann mussten sie auf Grund einer Verordnung vom 26.April 1938 ihr Vermögen anmelden. Es folgte der Zwang zur Kenntlichmachung auf Grund der dritten Bekanntmachung über den Kennkartenzwang vom 23.7.1938 und der 2.VO zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von