Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.674

 

Arbeitsamt hätte sie sich nach Freunden erkundigt. Ein dort angetroffener Mann habe sie über das Wochenende aufnehmen wollen. So habe sie die Familie Hil. kennengelernt, wo sie dann anschliessend als Hausgehilfin gearbeitet habe. Ihren - falschen - Namen habe sie zunächst nach dem Kriege noch beibehalten.

 

Der Zeuge Chaim Eng. (geboren 1916) gehörte zu jenen Zeugen, die schon seit 1946 Aussagen über Sobibor gemacht haben. In den allerersten Vernehmungen ging es um die Aufklärung des Schicksals holländischer Juden; er selbst hatte in Sobibor die holländische Jüdin Saartje Wij. kennengelernt und nach der Flucht geheiratet. Im G.-Verfahren 406 ist er bereits 1950 als Zeuge vernommen worden. In der jetzigen Hauptverhandlung hat der Zeuge Eng. bekundet, er sei im November 1942 nach Sobibor gekommen. Er sei dort vornehmlich in der Sortiererei, einige Male auch beim Bahnhofskommando und vereinzelt beim Haarschneiden eingesetzt gewesen.

 

Zur allgemeinen Charakterisierung Frenzels und der anderen Deutschen hat der Zeuge erklärt, es habe dort besonders schreckliche Leute gegeben, dazu hätten Wagner und Frenzel gehört; einige wenige andere wiederum seien menschlich gewesen, wie z.B. K. und ein Wachmann namens Wol. Wagner sei der schrecklichste gewesen. Auch Frenzel sei schrecklich gewesen, er sei rumgelaufen und habe die Peitsche in der Hand gehabt, sich "voller Freude bewegt, als sei er im Paradies, er habe das gern im Lager gemacht". So wie Frenzel die Menschen behandelt habe, sei allen bewusst gewesen, dass er mit Lust, Eifer dabei gewesen sei. Frenzel sei wie ein "durstiger Hund" gewesen, er habe soviel Grausames gemacht, dass er das nur durch diesen Ausdruck verdeutlichen könne. Wol. sei zwar nicht ein guter Mensch gewesen, aber nicht so grausam, trotzdem habe er seine Arbeit gemacht. Im Vergleich zu Wol. sei Frenzel "richtig ein Teil der Idee gewesen". Es habe bestimmte Graduierungen gegeben, jeder von den Deutschen habe sich individuell auf seine Weise verhalten. Nur ein paar seien richtig schlimm gewesen; sie hätten auch vor Franz Wol. Angst gehabt, das sei aber anders gewesen als bei Frenzel. Die anderen ausser Wagner und Frenzel hätten schon mal was durchgehen lassen. Zu Bol. könne er nichts sagen, der sei, so glaube er, schon vor seiner Zeit weg gewesen.

 

Der Zeuge hat geschildert, dass Frenzel für die Arbeiter des Lagers I zuständig gewesen sei; er habe die Appelle abgehalten, die Arbeiter zu ihren Arbeiten eingeteilt. Als Arbeitsjude habe man nicht krank sein können, allerdings habe man später schon mal 2 oder 3 Tage krank sein dürfen, ohne sofort liquidiert zu werden. Frenzel habe mal eine ganze Krankengruppe, 10 bis 12 Menschen, aus der Baracke herausgenommen und ins Lager III gebracht. Zweifelsohne seien sie dort erschossen worden.

 

Frenzel habe auch auspeitschen lassen. Er selbst sei auch mehrfach mit 25 Schlägen ausgepeitscht worden, einmal auf Veranlassung Frenzels. Es habe im übrigen natürlich oft einzelne Schläge zum Antreiben bei der Arbeit gegeben, das sei aber etwas anderes gewesen als die Prügelstrafen. Manchmal hätten die SS-Männer die Schläge durch Kapos machen lassen, manchmal hätten sie diese auch selbst ausgeteilt; dann hätten sie wohl Freude dabei haben wollen. Obwohl er selbst sich immer bemüht habe, möglichst unauffällig, vorsichtig zu sein, habe er wiederholt die Schläge bekommen.

 

Das besondere an Wagner sei gewesen, dass der sehr scharf habe denken können und brutal gewesen sei, immer schnell Bescheid gewusst habe. Sie hätten vor ihm Angst gehabt, weil der immer alles sofort herausgefunden habe. In der Praxis sei er der eigentliche Chef des Lagers gewesen. Er sei der Spiess gewesen. Wenn er nicht im Urlaub gewesen wäre, hätten

 

406 Siehe Lfd.Nr.233.