Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.672

 

der Vernehmung vor dem Schwurgericht Frankfurt 1974 geirrt, wenn sie Frenzel dafür benannt habe, dass er sie zu Wagner geschickt habe. Frenzel sei nicht untergeordnet gewesen, habe vielmehr einen hohen Rang dort gehabt. Lagerkommandant sei ein ganz anderer gewesen, von dem hätten sie jedoch nicht viel bemerkt.

 

Morgens beim grossen Appell hätten Wagner bzw. Frenzel die Oberaufsicht gehabt. Dann sei auch etwas unternommen worden, wenn Kranke aufgefallen seien oder wenn einfach den Deutschen etwas nicht gefallen habe. Dann seien diejenigen abgeführt und nie mehr gesehen worden. Sie selbst habe einmal einen Fall gesehen, bei dem Wagner die Abführung eines verletzten jungen Mannes angeordnet habe. Erst habe Wagner ihn gepeitscht, dann weggeführt und sofort hinter dem Tor zu ihrem Lager habe man einen Schuss gehört. Damit sei das Tor gemeint, das zum Lager I gehört habe. Auch sonst habe es Fälle gegeben, in denen die Deutschen am Verhalten der Juden etwas auszusetzen gehabt hätten; wenn jemand nicht schnell genug in der Linie ausgerichtet gestanden habe oder einfach den Deutschen das Gesicht nicht gefallen habe, sei das als Grund genommen worden zu Bestrafungen beim Appell. Die "Regelstrafe" seien 25 Schläge bei Peitschungen gewesen. Über Einzelheiten von Peitschungen könne sie kaum berichten, Schläge hätten eben auf der Tagesordnung im Lager gestanden. Oft habe man nicht einmal gewusst, wofür derjenige gepeitscht worden sei. Auch Rosa sei einmal mit 25 Schlägen bestraft worden, weil sie zu spät abends in die Baracke gekommen sei.

 

Frenzel habe einmal einen Jungen aus Holland, der ein sehr guter Sänger gewesen sei, so fürchterlich verfolgt, dass der abends nicht mehr habe gehen können und Mithäftlinge ihn hätten wegtragen müssen. Der Junge sei noch im Verlaufe der Nacht gestorben. Der Junge sei dabei gewesen, Erde im Dauerlauf gemeinsam mit anderen wegzubringen, die ein Bagger ausgehoben habe. Nähere Einzelheiten wisse sie nicht mehr. Alle hätten dort im Dauerlauf arbeiten müssen. Möglicherweise sei der Junge nach den ersten Schlägen langsamer geworden und habe deshalb immer noch mehr bekommen. Beim Appell hinterher hätten sie ihn noch gestützt, schliesslich in die Baracke gebracht; dort müsse er dann in der Nacht verstorben sein. Sie selber habe das nicht mehr sehen können, weil sie ja in der Frauenbaracke gewesen sei. Am nächsten Morgen sei jedenfalls gesagt worden, der "Caruso" sei tot. Hierzu hat der Angeklagte erklärt, ein Sänger sei ihm im Lager nicht bekanntgewesen, er wolle auch wissen, wo denn die Aushebungen gewesen seien; auf dem grossen Platz sei jedenfalls nicht Sand ausgehoben und weggetragen worden. Im übrigen seien Frauen zu solchen Arbeiten nicht eingesetzt worden.

 

Eine präzise Einordnung nach Örtlichkeit und Zeit hat die Zeugin nicht vornehmen können. Sie hat gemeint, es könne im Mai oder Juni 1943 gewesen sein, jedenfalls bei nicht besonders gutem Wetter, aber auch nicht im Winter. Der Platz sei vielleicht zwischen Lager I und II, vielleicht aber auch zwischen Lager II und III gewesen. Alle hätten dort mitmachen müssen.

 

Wenn sie früher gemeint habe, G. sei nicht so rücksichtslos wie Wagner und Frenzel zu ihnen gewesen, dann deswegen, weil G. vornehmlich im Lager III gewesen sei, mit ihnen nicht soviel zu tun gehabt habe. Wagner sei so schlimm gewesen, dass man überhaupt nicht alle Vorfälle als einzelne schildern könnte. Wagner sei noch wesentlich schlimmer als Frenzel gewesen.

 

Im Zusammenhang mit der Flucht einzelner Mitglieder des Waldkommandos und der anschliessenden Liquidation der übriggebliebenen hat sie gemeint, Frenzel habe quasi die Aufsicht bei der Erschiessung gehabt. Sie ist sich hierbei jedoch genauso wenig sicher gewesen, wie zu der Frage, wer sie, die Arbeitsjuden, von ihrer Arbeitsstelle abgeholt habe. Demgegenüber zeigte sie sich sicher, Frenzel habe ihnen klargemacht, dass das ganze eine Lehre für sie sein solle und was sie erwarte, wenn sie flüchten würden. An einen Exekutionsbefehl