Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.670

 

Bruder Philipp Bia. sei dabeigewesen. Bei früherer Gelegenheit hat er sich auch anders geäussert, z.B. gemeint, sie seien mit 15 Mann aussortiert worden (so 1960) und sein Vater und sein Bruder seien vor ihm, in einem früheren Transport nach Sobibor gekommen (so 1965). Wiederum anders hat sich der Zeuge in dem sog. gemeinsamen Bericht 1963 und in der Vernehmung vor dem Schwurgericht Frankfurt im Wiederaufnahmeverfahren G. 405 hierzu erklärt; der Zeuge hat all das nicht mehr erinnerungsmässig in der jetzigen Vernehmung klären können. An Besonderheiten bei seiner Ankunft konnte er sich zunächst nicht erinnern. Erst auf das Stichwort "Bla." hin fiel ihm ein, der Vorsitzende des Judenrates Bla., mit Vornamen Leon, habe sich dort gemeldet, sei geschlagen und abgeführt worden. Er wisse, dass dessen Sohn, Thomas Bla., überlebt habe. Das Geschehen um dessen Vater habe er nicht selbst gesehen. - Nach dem Zeugen Bla. soll es sich nicht um seinen Vater, sondern nur um einen Juden gleichen Namens gehandelt haben.

 

Während er sich zu dem Thema "Fluchtversuche" nur sehr allgemein erklärt hat, ohne dass hieraus weitere Erkenntnisse für das Verfahren abzuleiten gewesen wären, hat er zu der Flucht einiger Mitglieder des Waldkommandos sehr ausführlich berichtet. Während er allerdings über den Vorgang der Erschiessung der ins Lager zurückgeführten restlichen Mitglieder jenes Arbeitskommandos nur dürftige Angaben zu machen wusste, konnte er, wie schon bei früheren Gelegenheiten, sehr ausführlich schildern, dass er selbst von dem Plan der Flucht zuvor informiert gewesen sei, dieserhalb versucht gehabt habe, sich dem Waldkommando anzuschliessen, jedoch von Frenzel in "falschem" Kommando entdeckt, zurückgeschickt und mit Peitschenschlägen bestraft worden sei. Nachdem schliesslich die Bestrafungsaktion an den restlichen Waldkommandomitgliedern durchgeführt gewesen, ein neues Kommando zusammengestellt worden sei, sei Frenzel aufgefallen, dass er, der Zeuge, vor der Flucht versucht habe, sich dem Kommando anzuschliessen. Daraufhin sei er von Frenzel herausgenommen worden und habe schon befürchtet, ihm werde noch etwas widerfahren, doch sei dann schliesslich nichts mehr passiert. Bemerkenswerterweise hat der Zeuge einen gewissen Müller als denjenigen benannt, der für das Waldkommando verantwortlich gewesen und ihnen, den Arbeitshäftlingen des Lagers I vor der Exekution zugeraunt habe, sie brauchten keine Sorge zu haben, ihnen werde nichts passieren. Ganz im Gegensatz dazu sei ihnen nämlich kurz zuvor gesagt worden, sie alle würden nun getötet. Den Befehl zum Erschiessen der restlichen Mitglieder des Waldkommandos sei von Frenzel oder Wagner gegeben worden; einer von diesen habe auch die Nachschüsse gegeben. Geflohen seien vom Waldkommando ein Pod. und ein Josef Kopp, auch ein Wa.; ein weiterer könne Simon Hon. gewesen sein, das wisse er aber nicht. Der Angeklagte Frenzel hat im Zuge dieser Vernehmung bestätigt, dass es beim Waldkommando einen Müller gab.

 

Wie erstmals gelegentlich der Vernehmung im Frankfurter Wiederaufnahmeverfahren betreffend G. hat der Zeuge Symcha Bia. auch in der jetzigen Beweisaufnahme geschildert, es sei einmal ein Transport angekommen, bei dem fast alle Leute nackt gewesen seien. Von seinem Bruder habe er gehört, dass die Haut der ankommenden an den Händen der Arbeitsjuden kleben geblieben sei, die sie aus den Waggons gezogen hätten. Er selbst habe gesehen, dass Frenzel ein Foto von einer grossen schweren Frau gemacht habe, die sehr aufgebläht gewesen sei und auf deren Bauch ein Kind gesessen habe. Wagner oder Frenzel hätten noch gesagt, welch ein herrliches Bild das sei. Letzteres habe er allerdings von seinem Bruder gehört. Mit dem Zeugen ist erörtert worden, dass er selbst früher diesen Vorfall nicht bekundet habe, dass der Gedanken nahe liege, er habe diese Geschichte nur von seinem Bruder übernommen. Der Zeuge hat darauf hingewiesen, er habe einiges davon selbst gesehen, anderes von seinem Bruder gehört; diese Bekundung betrifft einen Vorwurf, von dem der Angeklagte im Urteil 1966 freigesprochen worden ist.

 

405 Siehe Lfd.Nr.885.