Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.668

 

Lage ist, eine täter- und fallgerechte Abgrenzung der einzelnen Teilnahmeformen bei staatlich organisierten Massenverbrechen zu ermöglichen.

Die subjektive Abgrenzungstheorie beruht auf dem Gedanken, dass - da schon jede Bedingungssetzung für den Erfolg eine Handlung tatbestandsmässig macht, also zur Täterschaft ausreicht - im objektiven Bereich eine Abgrenzung nicht vollzogen werden kann. Entscheidend muss hiernach allein die Willensrichtung des Beteiligten sein: Zielt sie auf Begehung eigener Straftat (sogenannter "animus auctoris"), so liegt Täterschaft oder Mittäterschaft vor; geht sie auf Unterstützung fremder Straftat (sogenannter "animus socii"), so ist Beihilfe gegeben. Allein der "dolus" oder "animus" liefert hiernach eine gerechte Eingruppierung in die Formen der Täterschaft oder Beihilfe.

Demgegenüber verwerfen die sogenannten "objektiven Theorien" - ohne dass hierauf im Einzelnen eingegangen werden könnte - die Unterscheidung von Täterschaft und Beihilfe nach dem Merkmal des Täterwillens. Ihnen zufolge ist massgebend das wirkliche Geschehen, die "reale Kräfteverteilung unter mehreren Mitwirkenden" (Maurach, Deutsches Strafrecht, Allg.Teil, 2.Aufl. 1958 S.515 f.), wobei das entscheidende Merkmal die - objektive - Tatherrschaft des Täters und das Fehlen der Tatherrschaft des Gehilfen sein soll. Auch ohne Erfolgswillen sei stets Täter, wer selbst ein Tatbestandsmerkmal verwirkliche. Unmittelbare Tatbestandserfüllung sei immer eine Täterhandlung.

Misst man diese Theorien an der besonderen Problematik der Einsatzgruppen- und KL-Morde, so zeigt sich, dass gerade in diesem Bereich nur eine subjektive Abgrenzung erfolgen kann. Zu Recht führt der BGH im sogenannten Stachynskij-Urteil (BGHSt. 18, 87 ff. hier S.93) aus, nachdem er zuvor die Abgrenzungsmethode der "materiell-objektiven" Teilnahmetheorie dargelegt hat:

"..... Es mag dahingestellt bleiben, ob das hiernach für massgeblich gehaltene Unterscheidungsmerkmal der Tatherrschaft von dieser Lehre nicht viel zu eng und gleichsam unter Ausschluss jeder psychologischen Gegebenheit und jedes seelischen Drucks oder Zwanges bei den Beteiligten lediglich als handgreifliche Mitwirkung verstanden wird. Darin läge dann zwar ein bequemes Unterscheidungsmerkmal zwischen Täterschaft und Beihilfe, aber zugleich eine bedenkliche Vergröberung und damit die Gefahr, nicht mehr jeden Tatbeteiligten möglichst gerecht beurteilen zu können. Vor allem aber ist diese Lehre deshalb bedenklich, weil sie es vornehmlich bei Tötungsverbrechen ausschliesst, solche besonderen Tatantriebe zu berücksichtigen, welche zwar mächtig wirksam, der allgemeinen Kriminologie aber fremd sind ..... Die materiell-objektive Lehre könnte vielleicht mehr einleuchten, wenn lediglich Tatbeteiligte abzuurteilen wären, welche kriminologisch bekannten Tatantrieben gefolgt sind und zwar auf dem Hintergrund im wesentlichen noch einheitlicher sittlicher Anschauungen der Allgemeinheit und einigermassen stabiler politischer Verhältnisse ..... Neuerlich sind jedoch gewisse moderne Staaten unter dem Einfluss radikaler politischer Auffassungen, in Deutschland unter dem Nationalsozialismus, dazu übergegangen, politische Morde und Massenmorde geradezu zu planen und die Ausführung solcher Bluttaten zu befehlen. Solche blossen Befehlsempfänger unterliegen bei der Begehung derartiger amtlich befohlenen Verbrechen nicht den kriminologisch erforschten oder jenen jedenfalls ähnlichen Tatantrieben. Vielmehr befinden sie sich in einer sittlich verwirrenden, mitunter ausweglosen Lage, vom eigenen Staat, der vielen Menschen bei geschickter Massenpropaganda nun einmal als unangezweifelte Autorität zu erscheinen pflegt, mit der Begehung verwerflichster Verbrechen geradezu beauftragt zu werden. Sie befolgen solche Anweisungen unter dem Einfluss politischer Propaganda oder der Befehlsautorität oder ähnlicher Einflüsse ihres eigenen Staates ....."

 

Auch die Kritiker des BGH (so Roxin in Goltdammers Archiv 1963/193 ff., Sax, Der BGH und die Täterlehre, JZ 63/329) werden schwerlich bezweifeln können, dass diese