Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.666

 

zu 10 bis 20 Mann erschossen worden. Es habe dann einen anderen schrecklichen Transport gegeben, bei dem viele nackte Tote gekommen seien, die seien schon teilweise in Verwesung übergegangen gewesen. Dass auch Lebende dabei gewesen seien, erinnere er nicht mehr. Vielleicht sei es so, wie er früher gesagt habe, dass die mitangekommenen Lebenden wie irre gewirkt hätten.

 

Einmal seien 2 Handwerker entflohen. Das sei in einer regnerischen Nacht gewesen. Den anschliessenden Appell habe Frenzel abgenommen. 10 oder 20 seien dann zum Lager III gebracht worden; er sei sich sicher, dass Frenzel gezählt habe, aber es seien noch mehr SS-Leute und auch Ukrainer dabei gewesen. Bei diesem Fall seien ein Maurer und ein Tischler entflohen. Auch vom Waldkommando seien mal welche geflohen. 2 Mann hätten einen Ukrainer beim Wasserholen überfallen, seien mit dessen Waffen entflohen. Als dann ein anderer Ukrainer zum Suchen geschickt worden sei, hätten die Zurückgebliebenen die Wächter überfallen und noch einigen sei die Flucht gelungen. Er habe gesehen, wie dann die Zurückgebliebenen ins Lager gebracht worden seien, die hätten kriechen müssen. Die übrigen Arbeitsjuden seien dann zu einem Platz vor dem Lager III befohlen worden. Alle seien anwesend gewesen, auch die ganze Wachmannschaft. In einer Rede seien sie gewarnt worden, auch so etwas zu tun, wie es dort geschehen sei. Die eigentliche Erschiessung hätten Ukrainer vorgenommen. Dann seien SS-Männer näher herangegangen und hätten auf die geschossen, von denen sie angenommen hätten, sie seien noch am Leben. Er könne nicht beschwören, dass Frenzel geschossen habe; wer die Rede gehalten habe, wisse er nicht, auch nicht, wer den Appell angeordnet habe oder wer den Befehl zum Schiessen gegeben habe. Früher habe er wohl mehr darüber gesagt, heute erinnere er sich nicht mehr.

 

Er sei sich nicht sicher, ob Frenzel beim Zielschiessen mitgemacht habe, wenn sich Arbeitsjuden Gegenstände hätten auf den Kopf stellen müssen. Es seien wohl andere gewesen, die das gemacht hätten; es seien dabei auch Menschen getroffen worden.

 

Allgemein könne man über die Deutschen sagen, dass Frenzel eben ständig mit einer Peitsche durchs Lager gegangen sei, laut geschrieen, oft geschlagen und insbesondere beim bzw. nach dem Appell oft 25 Schläge habe austeilen lassen. Andere Wachmänner seien angenehmer gewesen, so K., Beckmann, ein Bruder von Wol. Besondere Angst hätten sie vor Reichleitner, Thomalla, Frenzel, Wagner, Groth und Bol. gehabt.

 

Im Zusammenhang mit dem Aufstand stellte er klar, dass er selbst nicht gesehen habe, ob Frenzel geschossen habe. Insbesondere sei es missverständlich, wenn dem Protokoll aus dem Eichmann-Verfahren zu entnehmen sei, dass er bekundet habe, dass Frenzel mit einem Maschinengewehr geschossen habe. Gesehen habe er davon sowieso selber nichts; er sei nämlich, anders als die anderen Flüchtlinge, zunächst in Richtung Lager III und weiter an diesem rechts vorbei weggelaufen, habe sich dort im Wald bis zur Dunkelheit verborgen gehalten und sei schliesslich über die Stacheldrähte zur Bahn hin entkommen.

 

Mit diesem Zeugen sind im Zuge der jetzigen Vernehmung einige Einzelpunkte erörtert worden, in denen er Dinge bekundet hat, die mit den übrigen Erkenntnissen zum Lager Sobibor entweder gar nicht oder nur schwerlich in Übereinstimmung zu bringen sind. Nach allem was bekannt ist, ist es z.B. kaum vorstellbar, dass er tatsächlich Thomalla kennengelernt haben könnte. Trotz entsprechender Hinweise hat Biz. darauf beharrt, sich an diesen Mann zu erinnern. An seiner früheren Schilderung, ein Kind sei demonstrativ an den Beinen gefasst und in zwei Teile zerrissen worden, hat er so ausdrücklich nicht mehr festgehalten, erklärend gemeint, der Ausdruck "zerreissen" bedeute vielleicht, dass die Kleider des Kindes zerrissen seien, in bezug auf den Körper könne er das nicht mehr sagen. Richtig sei aber, dass in der Nähe der ukrainischen Küche mal ein Galgen errichtet worden sei, nahe der Rampe. Frenzel habe einen Mann mit Bart erwischt, dem habe er gesagt, er solle sich erhängen, und am Ende sei der auch erhängt worden. Es könne allerdings sein, dass er das seinerzeit