Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.665

 

Vor allem aber hat das Schwurgericht die Schilderung Stro.s deshalb geglaubt, weil Teile der Angaben Stro.s durch eine Reihe anderer Zeugen bestätigt worden sind. Der Zeuge Ver.-Ar., der als Häftling im Revier beschäftigt war, erinnerte sich an den Namen des Häftlings Josef Gebele, auch daran, dass dieser Häftling im Baubüro beschäftigt war und wegen einer Schussverletzung an der Hüfte behandelt worden ist. Ebenso erinnerten sich die Zeugen Mer., St. und Her. an die Verletzung dieses Häftlings anlässlich der Tötung der 47 Fallschirmagenten. St. erklärte insoweit lediglich, seine Erinnerung sei nicht mehr ganz sicher. Her. und Mer. hatten von dem Vorfall im Lagergespräch erfahren. Ausserdem hat der Zeuge Prof. Pod., Chef des Häftlingskrankenreviers, die Fotokopie des in diesem Revier geführten Operationsbuches, welche Gegenstand der Hauptverhandlung war, wiedererkannt. In diesem Buch befindet sich unter dem 7.9.1944 eine den Häftling Josef Gebele betreffende Eintragung, welche der Zeuge Prof. Pod. als Eintragung über die Behandlung dieses Häftlings wegen einer Schussverletzung an der Hüfte identifizieren konnte.

 

Endlich hat der Zeuge Xaver Stra., ehemaliger SS-Hauptsturmführer und Verwaltungsführer im Konzentrationslager Mauthausen, bekundet, Stro. sei in seiner Abteilung tätig gewesen; ihm habe die Unterkunftsverwaltung unterstanden. Seine Diensträume hätten sich in den Werkstätten oberhalb des Bassins an der Abbiegung der Strasse zum Steinbruch befunden. Er erinnere sich daran, dass Stro. ihm einmal einen von ihm selbst angefertigten Bericht übergeben habe, in dem von einer Verletzung des Häftlings Gebele, welcher mit der Reparatur von Schreib- und Rechenmaschinen beschäftigt war, die Rede war. Genaue Einzelheiten wisse er nicht mehr.

 

Durch diese verschiedenen Aussagen wird die Aussage Stro.s in allen wesentlichen Punkten bestätigt. Anhaltspunkte für eine Absprache der Zeugen untereinander bestehen nicht. Es ist auch ausgeschlossen, dass die übereinstimmenden Aussagen auf Zufall beruhen. Der Zeuge Prof. Pod. hat nämlich überdies ausgesagt, es sei sehr selten vorgekommen, dass ein Häftling wegen einer Schussverletzung behandelt worden sei. Unter diesen Umständen bestand für das Schwurgericht kein Zweifel, dass Stro. den Vorfall wahrheitsgemäss geschildert hat. Auch die noch verbleibende Möglichkeit, dass Stro. einer Personenverwechslung zum Opfer gefallen sein könnte und nicht gegenüber dem Angeklagten Schul. sondern gegenüber einem anderen SS-Führer seinen Protest vorgebracht hat, ist nach der Überzeugung des Gerichts ausgeschlossen: Stro. kannte den Angeklagten sehr gut, hat ihn auch in der Hauptverhandlung wiedererkannt. Auch der Angeklagte Schul. selbst hat Stro. in der Hauptverhandlung wiedererkannt und hinzugefügt, Stro. sei erheblich dicker geworden.

 

Nach der Art, wie Stro. Schul.s Verhalten bei dieser Begegnung geschildert hat, kann kein Zweifel daran bestehen, dass Schul. sehr genau wusste, was vor sich ging, nämlich dass die 47 Fallschirmagenten "Auf der Flucht" erschossen wurden. Die theoretische Möglichkeit, dass er sich erst unmittelbar vor der Begegnung mit Stro. danach erkundigt haben könnte, scheidet aus. Alle vorstehend erwähnten Indizien sprechen dagegen und ergeben ein in sich zusammenhängendes, lückenloses und widerspruchsfreies Bild im Sinne der getroffenen Feststellungen. Die übrige, zu diesem Sachverhalt besonders umfangreiche Beweisaufnahme hat keine Anhaltspunkte ergeben, die zu diesem Bild in Widerspruch stehen und es hätten erschüttern können.

 

Eher haben eine Reihe weiterer Zeugen, insbesondere ehemalige SS-Angehörige, die aufgrund der übrigen Beweismittel getroffenen Feststellungen indirekt bestätigt, ohne dass jedoch das Schwurgericht die Aussagen dieser Zeugen für die Überzeugungsbildung positiv verwendet hat. Dafür waren diese Aussagen zu unbestimmt. So hat der Zeuge Hai., ehemaliger SS-Hauptscharführer, im Konzentrationslager Mauthausen auf der SS-Schreibstube beschäftigt, ausgesagt, er erinnere sich an den Fall mit den 47 Fallschirmagenten nicht mehr. Es sei gelegentlich, aber nicht häufig vorgekommen, dass an einem Tage sehr viele Häftlinge auf der Flucht erschossen worden seien. In diesen Fällen seien die Fluchtversuche