Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.662

 

nämlich die Tötung eines Häftlings förmlich angeordnet worden war, durch Exekutionsbefehl seitens des Reichssicherheitshauptamtes, wurde der betreffende Häftling im Konzentrationslager förmlich exekutiert, wie im einzelnen noch auszuführen sein wird. Es wurden in diesen Fällen auch keine Tatberichte erstellt, die Tötung wurde nicht als "unnatürlicher Todesfall" vertuscht, sondern in die im Konzentrationslager geführten Bücher als Exekution eingetragen. In diesen Fällen war es ja auch nicht nötig, die beabsichtigte und ausgeführte Tötung vor dem SS- und Polizeigericht in Wien geheim zu halten.

 

Die Praxis aussenstehender Dienststellen, Anregungen zur Tötung bestimmter Häftlinge an das Konzentrationslager zu geben, war, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, durchaus gebräuchlich: Der Zeuge M., der, wie bereits ausgeführt, ein persönlich besonders zuverlässiger und glaubwürdiger Zeuge ist, hat bekundet, er sei seit 1933 Stadtkommandant der Tiroler Heimatwehr in Innsbruck gewesen. In dieser Eigenschaft habe er u.a. vor 1938 Nationalsozialisten verhaften lassen, wobei ein Nationalsozialist erschossen worden sei. Er, der Zeuge, sei deshalb 1938 verhaftet und wegen der Erschiessung angeklagt worden. Im August 1941 sei er nach einem freisprechenden Urteil von der Justiz entlassen worden, jedoch anschliessend durch die Gestapo verhaftet und ins Konzentrationslager Mauthausen eingeliefert worden. Seinen Einlieferungspapieren habe ein Brief beigelegen, in welchem dem Sinne nach gestanden habe, die Tiroler Volksgenossen würden sich freuen, wenn M. im Konzentrationslager nicht lange lebe. Er sei dann durch einen Zufall zu einer Beschäftigung als Schreiber beim Standortarzt gekommen, also zu einer für einen Häftling in Mauthausen verhältnismässig günstigen Beschäftigung. Diesem Umstand, und dem weiteren Umstand, dass der Angeklagte Schul., in dessen Händen das erwähnte Schreiben auf der politischen Abteilung gelangt sein müsse, keine Anstalten gemacht habe, den in dem Schreiben geäusserten Wunsch nach Tötung des Zeugen M. auszuführen, verdanke er, so meint der Zeuge, dass er noch lebe.

Das Schwurgericht hat dem Zeugen M. die vorgenannten tatsächlichen Angaben geglaubt, zumal der Angeklagte Schul. hierzu erklärt hat, es wäre wohl so richtig. Schul. hat auf Befragen hinzugefügt, Schreiben der einweisenden Dienststelle in der Art, wie sie der Zeuge M. geschildert hat, seien in verschiedenen Fällen in seine, Schul., Hände gelangt.

 

Weiterhin hat der Zeuge Dr. Konrad Mo., ehemaliger SS-Richter, bekundet, er habe eines Tages während des Krieges in einem Konzentrationslager dem Standortarzt Vorhaltungen darüber gemacht, dass er einen Häftling durch eine Spritze getötet habe. Dieser habe sich damit verteidigt, bei dem Namen in den Papieren des betreffenden Häftlings habe ein Zeichen gestanden, welches seiner, des Arztes, Meinung nach, den Wunsch der einweisenden Dienststelle, den Häftling zu töten, zum Ausdruck gebracht habe. Auf diese Weise habe er, der Zeuge Mo., von dieser Art Anregungen zur Tötung von Häftlingen erfahren. Ob alle Einzelheiten dieser Aussage des Zeugen Mo. zutreffend sind, mag dahinstehen.

Sie ist aber mit Sicherheit nicht völlig frei erfunden; dazu hatte der Zeuge keinerlei Anlass. Die Aussage beweist somit, dass die Praxis, auf die beschriebene Weise an die Konzentrationslager Anregungen zur Tötung von Häftlingen zu geben, bestand. Diese Praxis passte auch zur Mentalität und zur Ideologie der SS, die sich anmasste, im Auftrage des "Führers" allein nach ihren Zwecken und Ansichten über das Leben eines Häftlings zu entscheiden, und die Einhaltung juristischer und verwaltungstechnischer Formen verachtete.

 

Gerade in einem Fall wie bei den 47 Fallschirmagenten musste es wegen der politischen Bedeutung und der Nationalität dieser Häftlinge den Dienststellen, die sie ins Konzentrationslager einwiesen, als sehr empfehlenswerter Weg zu ihrer Beseitigung erscheinen, wenn sie nicht offiziell exekutiert wurden, sondern nach aussen hin in nicht nachprüfbarer Weise eine natürliche Todesursache oder eine "Erschiessung auf der Flucht" angegeben werden konnte.

 

Die Feststellungen über die Beteiligung Schul.s an der Tötung der 47 Fallschirmagenten beruhen im wesentlichen auf folgenden Erwägungen: Schul. ist vom Lagerkommandanten