Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.659

 

Einzelheiten darüber, dass sich Frenzel persönlich bereichert habe im Lager, habe er nicht in Erinnerung. Wohl habe er diesem einige Male den Koffer gepackt. Bei diesen Gelegenheiten habe Frenzel geräucherte Wurst, Kleider für die Familie, auch Schmuck und Gold vom Goldschmied mitgenommen. Von einer besonderen Bereicherung Frenzels im Vergleich zu den anderen Deutschen wisse er nichts. Er bleibe bei seiner früheren Darstellung, "Lalka" (gemeint ist Kurt Franz 399) sei zunächst in Sobibor gewesen und erst mit Stangl weggekommen; erst später habe er gelesen, dass jener nach Treblinka gekommen sei.

 

Der Zeuge hat sich in der jetzigen Hauptverhandlung ersichtlich bemüht, vorsichtig auszusagen, nicht mehr als das zu sagen, was er trotz der langen, zwischenzeitlich vergangenen Jahre noch in Erinnerung hat. Zusammenfassend hat der Zeuge, der nach den ersten Monaten beim Bahnhofskommando anschliessend als Stiefelputzer, sodann im Casino-Bereich, später für einige Zeit beim Haarschneiden und sodann im Verpflegungsmagazin eingesetzt gewesen sein will, erklärt, die ersten 3 bis 4 Monate seien für ihn persönlich als deswegen die schlimmsten erschienen, weil er während der Zeitspanne am direktesten mit Frenzel zu tun gehabt habe; später sei er nicht mehr so direkt mit dem zusammengetroffen.

 

Der ebenfalls 1927 geborene Zeuge Thomas Bla. ist als Zeuge im Verfahren um das Vernichtungslager Sobibor erst im Januar 1960 in Erscheinung getreten. Von ihm stammen einige, zum Teil ausgesprochen umfangreiche Manuskripte, die sich mit der gesamten Zeit der Verfolgung der jüdischen Menschen durch die Deutschen beschäftigen, zum Teil auch speziell über die Zeit in Sobibor handeln. In den ersten Nachkriegsjahren hat er vor allem mit dem "Jüdischen Historischen Institut" in Warschau zusammengearbeitet, später in Israel und auch in den USA viele Manuskripte verfasst, auch an Filmdrehbüchern gearbeitet, die allerdings nie realisiert worden sind. Später hat er massgeblich mitgewirkt an einem Buch von Rashke "Escape from Sobibor" 400. Auch heute, so hat er bekundet, schreibe er noch an vielen Arbeiten; ein gebundenes Buch sei bisher nicht von ihm herausgegeben worden.

 

Am 22. oder 23.April 1943 habe ein aus Deutschen und Ukrainern bestehendes Kommando die restlichen damals in Izbica lebenden Juden zusammengetrieben. Etwa 300 Juden seien mit LKWs nach Sobibor transportiert worden. Die LKWs hätten vorm Tor gehalten; sie seien abgestiegen und durch das Tor gegangen. Er habe sich zu seinem Vater gestellt, während sein kleinerer Bruder zu seiner Mutter gegangen sei. Die Frauen und Kinder seien weggeführt worden. Ein Mann, von dem er später erfahren habe, dass es Frenzel gewesen sei, habe das Wort geführt; auch andere deutsche Unteroffiziere seien da gewesen. Frenzel habe nach bestimmten Handwerkern gefragt. Alle hätten wohl gespürt, dass sie so vielleicht dem Tod entkommen könnten, und so hätten sich viele gemeldet. Es sei ein Durcheinander entstanden. Frenzel, vielleicht auch ein anderer Deutscher zusätzlich, hätten eine Stange oder ein Brett genommen und zugeschlagen. So habe er Ordnung machen wollen. Viele hätten geblutet; er glaube, es seien auch einige getötet worden. Als wieder Ruhe eingekehrt gewesen sei, habe Frenzel gesagt, "Du Kleiner, komm mal raus, Du musst Schuhe putzen". So habe ihm Frenzel das Leben geschenkt. Weitere Einzelheiten der Darstellung des Zeugen zu diesem Vorfall werden später, im Zusammenhang mit der Abhandlung des Freisprechungsfalles Fall 42, dargestellt.

 

Im Lager habe er sofort nach seinem Eintreffen den Sohn des Zahnarztes wiedergetroffen. Später habe er - wie er auch in seinem "Erlebnisbericht" angegeben habe - gehört, dass sie ihre Auswahl der Tatsache zu verdanken gehabt hätten, dass kurz vor ihrem Eintreffen eine grosse Gruppe von Holländern, vielleicht 100, wegen eines verratenen Fluchtplanes getötet

 

399 Siehe Lfd.Nr.596.

400 Richard Rashke, "Escape from Sobibor", Boston 1982