Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.654

 

abgesetzt. Sie hatten Sabotageaufträge durchzuführen und Funkverkehr mit den Geheimdienststellen in England zu unterhalten. Im Frühjahr 1942 gelang es dem Spionageabwehrreferenten der Wehrmacht in den Niederlanden, Giskes, zwei dieser Agenten festzunehmen.

Giskes und der Zeuge Schre. verabredeten nun, ein sogenanntes Funkspiel mit dem englischen Geheimdienst zu versuchen, welches sie in der Folgezeit "Englandspiel" nannten. Mit Hilfe der bei den festgenommenen Agenten vorgefundenen Funkgeräte nahmen sie den Funkverkehr mit dem Geheimdienst in England auf, indem sie diesem vorspiegelten, der Funkverkehr werde von den abgesetzten Agenten durchgeführt. Das Spiel gelang. Die bereits vorher abgesetzten, aber noch nicht verhafteten Agenten konnten in der Folgezeit festgenommen werden. Der Absprung neuer Agenten wurde über die bestehenden Funklinien, die nun in der Hand der deutschen Abwehr waren, vorbereitet, so dass die in der Folgezeit über Holland mit dem Fallschirm abspringenden Agenten jeweils alsbald nach dem Absprung festgenommen werden konnten. Insgesamt wurden auf diese Weise zwischen 50 und 60 gegnerische Agenten festgenommen und in einem Gefängnis in Holland untergebracht. Dort führten Schre. und seine Beamten die Vernehmungen dieser Häftlinge durch, um weitere Auskünfte über die Absichten und Pläne des gegnerischen Geheimdienstes, die Aufträge der Agenten und die Funklinien zu erhalten. Beanstandungen über die Behandlung dieser Häftlinge sind nicht bekannt geworden. Insbesondere wurden sie nicht zu Aussagen gezwungen.

 

Im Jahr 1943 gelang es zwei von den Agenten, aus dem Gefängnis auszubrechen. Damit entstand für die deutsche Abwehr die Gefahr, dass diese Agenten den Geheimdienst in England von dem Funkspiel benachrichtigen würden. Mit Hilfe eines Tricks gelang es Schre. jedoch, das Funkspiel vorerst fortzusetzen. Er spiegelte nämlich dem Geheimdienst in England vor, die beiden entflohenen Agenten wären nunmehr für den deutschen Geheimdienst tätig. Trotzdem kam es wegen des Ausbruchs zu Auseinandersetzungen unter den beteiligten SS-Führern über das weitere Schicksal dieser Agenten. Schre. setzte sich nach seinen Angaben für den Verbleib der Häftlinge in Holland ein, und zwar unter Hinweis darauf, dass er sie für das Funkspiel noch benötige. In diesem Zusammenhang sagte ihm Rauter, möglicherweise allerdings erst bei einer späteren Gelegenheit, wenn noch einer von den Agenten ausbreche, würden sie alle erschossen. Die Agenten blieben zunächst in Holland und wurden in einem anderen, als sicher geltenden Gefängnis untergebracht.

Ende 1943 entwichen jedoch zwei weitere Agenten aus dem Gefängnis. Wiederum gab es Auseinandersetzungen unter den beteiligten SS-Führern über den Verbleib der Häftlinge, die schliesslich damit endeten, dass die Agenten in das Zuchthaus in Rawitsch in Schlesien gebracht wurden. Das Funkspiel liess langsam nach. Es wurden auch keine Agenten mehr über Holland abgesetzt. Wahrscheinlich war der Geheimdienst in England gewarnt worden. Im April oder Mai 1944 wurde das Spiel eingestellt.

 

40 dieser ausländischen Fallschirmagenten wurden zusammen mit 7 Engländern, wahrscheinlich ebenfalls Agenten, deren Herkunft jedoch nicht geklärt werden konnte, Anfang September 1944 aus nicht näher geklärten Gründen in das Konzentrationslager Mauthausen überführt, wo sie im Verlaufe des 5.September 1944, möglicherweise auch erst am Morgen des 6.September 1944, eintrafen.

 

Der Lagerkommandant Ziereis erhielt von einer nicht bekannten höheren Dienststelle telefonisch oder mittels Begleitschreibens oder auf ähnliche Weise die Anregung, dafür zu sorgen, dass diese Häftlinge innerhalb kurzer Zeit getötet würden. Eine offizielle Tötungsanordnung, ein Exekutionsbefehl, wurde jedoch nicht gegeben. Vielmehr ging man davon aus, dass der Lagerkommandant über Mittel und Wege verfügen würde, diese Häftlinge auch ohne offizielle Anordnung zu töten. Ziereis entschloss sich, dieser Anregung zu folgen und teilte dies auch dem Angeklagten Schul. mit oder liess es ihm mitteilen.

Ziereis entschloss sich, die 47 Fallschirmagenten auf eine Art und Weise töten zu lassen, die im Konzentrationslager Mauthausen bereits vorher häufiger zur Beseitigung unliebsamer