Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.647

 

wisse er nicht. In Hadamar sei Frenzel nur "Brenner" gewesen, gleichwohl sei er damals ein "kleiner Gernegross" gewesen und habe immer das grosse Wort geführt.

 

Auch der Zeuge Wol.390 war nicht die ganze Zeit des Lagerbestehens in Sobibor. Er kam erst Anfang März 1943 dorthin. Er hat ausgesagt, er sei vor allem in der Gepäcksortierung tätig gewesen, habe den Lagerbetrieb gekannt. Er hat den Lageplan und die Zuordnungen der einzelnen Baulichkeiten als im wesentlichen richtig bestätigt. Über Transportabfertigungen hat er, wie auch der Zeuge Sch. für seine Beobachtungszeit in Sobibor, ausgesagt, dass an der Rampe viel geschrieen, aber auch geschlagen worden sei, und zwar hauptsächlich durch Ukrainer. Weiter hat er beschrieben, die Kranken und Gehunfähigen seien auf Loren geworfen und ins Lager III gefahren worden, so sei auch mit kleinen Kindern umgegangen worden. Auch die weitere Abwicklung der Transporte hat er im wesentlichen so geschildert wie der Angeklagte. Zur Anzahl der Arbeitshäftlinge gegen Ende der Lagerzeit hat er gemeint, er glaube eigentlich nicht, dass es 600 Häftlinge gewesen seien; wieviele im Lager III gewesen seien, wisse er gar nicht.

 

Ihm selber sei mal in Sobibor der Vorwurf gemacht worden, er sei zu lasch. Das habe ihm mal Wagner, mal Reichleitner gesagt. Es könne auch sein, dass seine frühere Bekundung zutreffend gewesen sei, dass Frenzel ihm so einen Vorwurf gemacht habe. Die Ansprache bei der Erschiessung der übrig gebliebenen Juden des Waldkommandos habe Reichleitner oder Wagner gehalten, vielleicht auch Frenzel. Frenzel sei jedenfalls, wie auch andere, bei der Erschiessung dabei gewesen. Er wisse nur, dass Frenzel das Lager II unter sich gehabt habe, dass Frenzel sein Vorgesetzter gewesen sei. Der eigentliche Spiess sei Wagner im Lager gewesen. Frenzel habe morgens die Appelle gehalten, sich dabei mit Wagner abwechselnd. Frenzel habe auch die Leute eingeteilt, er habe mal hier mal da, auch im Lager II kontrolliert. Frenzel sei neben Wagner für die Rampe zuständig gewesen. Schliesslich hat der Zeuge seine Aussage dahingehend berichtigt, Lagerleiter II sei Beckmann gewesen; Frenzel sei das nur kurz gewesen, sonst Leiter des Lagers I. Gleichwohl bleibe er dabei, dass Frenzel sein Vorgesetzter gewesen sei. Der Rang des einzelnen habe keine Rolle gespielt, die Funktion sei bestimmend gewesen. Frenzel habe ihm, obwohl in der Sortierung unzuständig, viel reingeredet, darüber habe er sich bei Beckmann beschwert.

 

Befragt, wie sich Frenzel in seiner Funktion gegeben habe, hat er gemeint: Frenzel sei sehr streng gewesen. Er habe nicht gesehen, dass der Angeklagte einen Menschen erschlagen oder sonst einen Exzess im Sinne einer Tötungshandlung begangen habe. Frenzel sei ein Rabauke gewesen, wie auch G., Bol. und Wagner; diese seien grosssprecherisch gewesen. Frenzel habe sich laut gebärdet. Zweimal habe er ihn, den Zeugen, zur Rede gestellt, wohl mal laut geschimpft, sei aber nicht ausfällig geworden. Die Ahndung von Verstössen gegen die Lagerordnung hätten Frenzel und Wagner vorgenommen. Wagner oder Frenzel hätten dann selbst entschieden, seien nicht zunächst zu Reichleitner oder Niemann gegangen, um zu fragen, was zu geschehen habe. Wagner sei in Sobibor der schlimmste gewesen, nach ihm Bauer, Frenzel und G. Seine Erklärungen aus der Voruntersuchung hätten seine Einschätzung der Person Frenzels richtig wiedergegeben, "mit Frenzel sind offenbar seine niedrigen Instinkte durchgegangen", er habe den Eindruck, dass der Angeklagte sonst beruflich nicht viel zu sagen gehabt habe und dass ihm die plötzliche Machtvollkommenheit in Sobibor, die ihn zum Herrn über Tod und Leben der jüdischen Häftlinge erhoben habe, zu Kopfe gestiegen sei. Frenzel habe viel von der Peitsche Gebrauch gemacht, nach den Häftlingen getreten oder sie geohrfeigt. Er habe viel geschrieen und ganz sichtlich seine Autorität durch solchen Missbrauch zum Ausdruck gebracht, jedenfalls habe sich Frenzel im Dienst hervorgetan, bei jeder Gelegenheit gebrüllt.

 

390 Siehe Lfd.Nr.642.