Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.635

 

Vom 22.6.1941 bis 1.9.1942 befand er sich an der Ostfront beim Regiment "Westland". Am 31.7.1941 wurde er verwundet. Er erlitt Brust- und Kopfverletzungen, die folgenlos verheilt sind. Er wurde mit dem EK II, dem Verwundetenabzeichen in Schwarz, dem Infanteriesturmabzeichen und der Ostmedaille ausgezeichnet. - Nach der Einlassung des Angeklagten will er auch das EK I, das silberne Verwundetenabzeichen und die bronzene Nahkampfspange erhalten haben. Die Verleihungsurkunden hierüber seien später - als er dort wieder Dienst tat - an das KL Mauthausen geschickt, vom Lagerkommandant Ziereis aber aus Neid zurückgehalten worden, so dass er - der Angeklagte selbst - erst viel später durch Zufall von seinen weiteren Auszeichnungen erfahren habe. Diese Einlassung des Angeklagten ist in sich wenig glaubhaft; doch mag ihre Richtigkeit dahinstehen, da sie weder für die Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten noch für die seiner Taten von Gewicht ist.

 

Spätestens Mitte Oktober 1942 kam der Angeklagte nach einem Erholungsurlaub in das KL Mauthausen zurück. Dort wurde er im Hauptlager 3.Schutzhaftlagerführer, eine Art Ordonnanzoffizier, der in verschiedenen Aufgabenbereichen den 1.Schutzhaftlagerführer vertrat. Nach der unwiderlegten Einlassung des Angeklagten will er sich vornehmlich mit der Anfertigung und Unterzeichnung von Führungsberichten beschäftigt haben.

Im Februar 1943 begann der Angeklagte einen Vorbereitungslehrgang für die SS-Junkerschule, und zwar im Truppenlager Dachau. Nach 6 Wochen will er diesen Lehrgang eigenmächtig abgebrochen haben und kam daraufhin bis zum 1.5.1943 wieder als 3.Schutzhaftlagerführer in das Hauptlager Mauthausen. Dann absolvierte er nach einem erneuten Vorbereitungslehrgang die Junkerschule in Braunschweig und wurde dort am 15.12.1943 zum SS-Untersturmführer ernannt. Nach einem längeren Urlaub kehrte er spätestens Ende Januar 1944 nach Mauthausen zurück und übernahm dort wieder die Aufgaben eines 3.Schutzhaftlagerführers.

Ab März 1944 bis zum 8.4.1945 war der Angeklagte Lagerführer in verschiedenen Nebenlagern des KL Mauthausen. Zunächst baute er bis Mitte Mai 1944 das Nebenlager Melk auf. Dann übernahm er das Nebenlager Wien-Schwechat (Heidfeld), nachdem der bisherige Lagerführer Engelhard bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen war. Dieses Lager wie auch die weiteren vom Angeklagten übernommenen Lager waren in der Produktion der Heinkel Flugzeugwerke tätig. Nachdem am 26.Juni 1944 das Lager Schwechat zum zweiten Male bombardiert worden war, wurde es bis auf ein kleines Restkommando nach Wien-Floridsdorf und von dort im Oktober 1944 nach Wien-Mödling (Hinterbrühl) verlegt, wobei wiederum ein Restkommando in Floridsdorf verblieb. Der Angeklagte verblieb jeweils verantwortlicher Lagerführer auch bei den bestehenbleibenden Restkommandos, so dass er ab Oktober 1944 Lagerführer der Nebenlager Schwechat, Floridsdorf und Hinterbrühl gleichzeitig war.

 

Während seiner Tätigkeit als Lagerführer in Floridsdorf und Hinterbrühl hat der Angeklagte strafbare Handlungen begangen, die Gegenstand dieses Verfahrens sind. Insoweit werden die zur Würdigung dieser Straftaten erforderlichen Feststellungen zur Verantwortlichkeit im besonderen Fall an späterer Stelle eingehend getroffen werden. Hier soll nur vorweg zum besseren Verständnis allgemein zum Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich des Lagerführers eines Nebenlagers folgendes festgestellt werden:

 

Der Nebenlagerführer hatte eine Art Zwischenstellung zwischen Arbeitskommandoführer und Schutzhaftlagerführer. Das lag daran, dass der Lagerführer zwar in vielen Dingen selbständig war, aber in anderen von den Weisungen und Befehlen des 1.Schutzhaftlagerführers abhing. Die Nebenlager waren nämlich insofern nicht selbständige Lager, sondern eine Art von Aussenlagern des eigentlichen Schutzhaftlagers.

 

Leiter des Schutzhaftlagers des KL Mauthausen (KLM) - Hauptlager - war der 1.Schutzhaftlagerführer. In der überwiegenden Zeit, in der der Angeklagte Streitwieser sich im Hauptlager des KL selbst oder in einem der Nebenlager befand, war es der spätere