Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.633

 

Auch diese Angaben erschüttern das dargelegte Beweisergebnis nicht: Var. und Schü. waren nur kurze Zeit im Konzentrationslager. Es liegt durchaus nahe, dass sich die Angehörigen der politischen Abteilung einschliesslich Schul.s während dieser Zeit in der Misshandlung von Häftlingen zurückgehalten haben, weil Var. und Schü. Aussenstehende waren. Im übrigen hat das Schwurgericht zu Gunsten des Angeklagten Schul. die Angaben Var.s und Schü.s als richtig unterstellt, dass Schul. sich in der Folgezeit für einzelne Häftlinge eingesetzt hat, darunter für Bal. Var. und Schü. waren dem Angeklagten durch die seinerzeitigen Vernehmungen wegen der Einbruchsdiebstähle persönlich bekanntgeworden. Dass Schul., um ihnen gefällig zu sein, sich für einzelne Häftlinge, die die Zeugen besonders interessierten, eingesetzt hat, widerspricht den Feststellungen über sein Verhalten im Konzentrationslager im übrigen, wie bereits ausgeführt, nicht.

 

II. Der Angeklagte Streitwieser

 

Der jetzt 51 Jahre alte Angeklagte Streitwieser wurde als Sohn eines Bahnbeamten in Surheim/Oberbayern geboren. Er hat noch zwei ältere Geschwister. Nachdem seine Eltern im Jahre 1919 nach Laufen/Oberbayern verzogen waren, besuchte er dort von 1922 bis 1930 die Volksschule und trat anschliessend in einem Autohaus eine Mechanikerlehre an. Während der Lehrzeit besuchte er eine Berufsfortbildungsschule. Am 1.10.1933 beendete er die Lehre ohne Abschlussprüfung. Er hatte an seinem Beruf die Lust verloren und wollte die Führerlaufbahn in der Hitlerjugend einschlagen. Im Verlauf seiner Pläne besuchte er die Fliegervorschule in Weyarn und machte dort einen Dreimonatskursus für Segelfliegen und Motorenlehre mit. Am 1.4.1934 ging er als hauptberuflicher Gefolgschaftsführer im Gebiet Hochland-München zur Gebietsführung der HJ München und erwarb nebenher die Führerscheine der Klassen I-III. Am 8.4.1934 - mit noch nicht 18 Jahren - trat er freiwillig in die Waffen-SS ein, nachdem er sich zuvor zur Infanterie gemeldet hatte. Er kam zur SS-Wachtruppe des KL Dachau und versah dort bis zum 19.9.1935 Wachdienst als SS-Mann. Am 3.6.1935 erschoss er - angeblich in Notwehr - den damaligen Häftling Schlattl. Der Fall ist nicht Gegenstand der Anklage und sein Hergang nicht sicher feststellbar. Der Angeklagte hat die Tötung als solche zugegeben, nachdem er zuvor durch die Indiskretion einer Justizangestellten erfahren hatte, dass sie ihm mit Sicherheit nachgewiesen werden könne. Zuvor hatte er jede Tötungshandlung im KL Dachau energisch bestritten.

 

Am 19.9.1935 kam der Angeklagte zur Wachmannschaft des KL Sachsenburg und wurde von dort am 1.4.1936 in das KL Esterwegen versetzt. Am 1.7.1936 wurde er zur Wache der Ordensburg Vogelsang kommandiert. Während seiner Wachtätigkeit in Vogelsang versuchte der Angeklagte durch einen Brief an einen Kreisleiter namens Kammerer zu erreichen, bei der Gauleitung als Junker für die Ordensburgen vorgeschlagen zu werden, einmal, um auf diese Weise schneller befördert zu werden, zum anderen aber auch unwiderlegt, weil ihm die Wachtätigkeit nicht sonderlich zusagte. Am 1.12.1936 wurde er zum Kommandanturstab des KL Sachsenhausen versetzt und war dort unter anderem als Kraftfahrer - vornehmlich als Fahrer von Eicke - tätig. Am 30.1.1937 wurde er zum SS-Unterscharführer befördert. Im Spätsommer oder Herbst 1938 wurde der Angeklagte dann zum Kommandanturstab des KL Mauthausen versetzt und wurde dort zunächst Fahrdienstleiter der Fahrbereitschaft.

 

Am 19.12.1938 erschoss er in Mauthausen den Häftling Anton Eder, als dieser angeblich einen Fluchtversuch machte. Diese Tötung hat der Angeklagte von seiner ersten Vernehmung an zugegeben. Sie ist nicht Gegenstand der Anklage und konnte nicht näher geklärt werden.

Ende 1938 / Anfang 1939 wurde der Angeklagte zum Oberscharführer und spätestens Mitte 1940 zum SS-Hauptscharführer befördert. Inzwischen hatte er von April 1939 bis gegen Ende 1939 im KL Mauthausen - Hauptlager - die Stellung eines Arbeitsdienstführers inne. Als solcher hatte er - wie oben bereits ausgeführt - die einzelnen Arbeitskommandos in geeigneter Form zusammenzustellen, für ihre Vollzähligkeit zu sorgen und bei Abgängen die Kommandos mit geeigneten Leuten wieder aufzufüllen.