Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.627

 

sich auch solche, in denen der Angeklagte nicht im Zusammenhang mit unnatürlichen Todesfällen tätig geworden ist. So hat er z.B. im Mai 1942 einen Vorfall als Gerichts-SS-Führer untersucht, bei welchem der Standortarzt, der SS-Sturmbannführer Dr. Krebsbach, bei einer Schlägerei einen Soldaten erschossen hat. Es mag sein, dass der Angeklagte insoweit nur vertretungsweise tätig geworden ist.

 

Das Buch "unnatürliche Todesfälle" beginnt am 1.10.1942 mit der laufenden Nummer 1 und endet am 6.4.1945 mit der laufenden Nummer 1023. Das Schwurgericht vermochte nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, dass es bereits vor dem 1.Oktober 1942 zu den Aufgaben des Angeklagten im Konzentrationslager gehörte, bei "unnatürlichen Todesfällen" eine Untersuchung der beschriebenen Art einzuleiten und durchzuführen. Zwar war noch ein weiteres Buch "unnatürliche Todesfälle" Gegenstand der Hauptverhandlung, welches mit Schreibmaschine geschrieben ist und dessen Eintragungen bereits am 18.August 1938 beginnen. Dieses Buch stand dem Gericht jedoch lediglich in unbeglaubigter Kopie zur Verfügung. Keiner der zahlreichen Zeugen, denen dieses Buch vorgelegt worden ist, vermochte es zu identifizieren. Es liess sich daher nicht feststellen, wann, von wem und unter welchen Umständen dieses Buch angefertigt worden ist. Infolgedessen sah sich das Schwurgericht nicht in der Lage, diesem Buch irgendeinen Beweiswert zuzumessen. Hinzu kommt, dass die Zeugen Esc. und Fas. angegeben haben, ihrer Erinnerung nach seien anfangs die unnatürlichen Todesfälle von dem Adjutanten des Lagerkommandanten bearbeitet worden. Fas., der auf der ersten Seite des handgeschriebenen Buches "unnatürliche Todesfälle" bereits unter der laufenden Nummer 1 seine Handschrift wiedererkannt hat, meint, von diesem Zeitpunkt ab, also ab 1.Oktober 1942, seien seiner Erinnerung nach die unnatürlichen Todesfälle vom Angeklagten Schul. bearbeitet worden. Der Zeuge ist sich insoweit zwar nicht sicher; aber nach Berücksichtigung aller Umstände musste zu Gunsten des Angeklagten Schul. davon ausgegangen werden, dass er die Bearbeitung der unnatürlichen Todesfälle erst ab 1.Oktober 1942 übernommen hat.

 

Ob und inwieweit dem Angeklagten aus seiner Tätigkeit als SS-Gerichtsführer ein Vorwurf zu machen ist, wird bei der Darstellung der einzelnen, dem Angeklagten gemachten Tatvorwürfe, erörtert. Das Schwurgericht hat nicht festgestellt, dass der Angeklagte über die ihm gemachten Tatvorwürfe hinaus bei der Erstellung und Absendung der Tatberichte Verbrechen wissentlich vertuscht hat. Andererseits hat das Schwurgericht auch nicht ausgeschlossen, dass einer sehr grossen Anzahl der in dem Buch "unnatürliche Todesfälle" als Selbstmorde und Erschiessungen auf der Flucht eingetragenen Fälle in Wirklichkeit vorsätzliche Tötungen seitens der SS-Angehörigen oder "Kapos" zugrunde lagen.

 

Der Angeklagte Schul. achtete in seinem Dienstbereich im Allgemeinen auf ordentlichen Dienstbetrieb. Er legte Wert darauf, als SS-Offizier anerkannt und geachtet zu werden. Bei seinen Unterführern galt er als zurückhaltend und wenig zugänglich. Da jedoch die Arbeitsbelastung nicht gross war und hauptsächlich Büroarbeiten zu verrichten waren, herrschte in der politischen Abteilung ein weniger "soldatischer" Ton als in anderen Bereichen des Konzentrationslagers. Davon profitierten auch die in der politischen Abteilung beschäftigten Häftlinge. Sie lebten den Umständen entsprechend verhältnismässig gut. Die Arbeit war nicht schwer, sie wurden nicht misshandelt und auch vom Angeklagten im allgemeinen verhältnismässig korrekt behandelt. Sie galten als "kommandiert" und nahmen gegenüber den sonstigen Häftlingen ohne besondere Funktionen eine gewisse Sonderstellung ein. Sie erhielten sogar eine regelmässige Geldprämie, mit der sie z.B. Einkäufe in der Kantine tätigen konnten.

 

Bei den übrigen Häftlingen jedoch war die politische Abteilung und mit ihr deren Leiter, der Angeklagte Schul., berüchtigt und gefürchtet, und zwar aus zwei Gründen: Der Angeklagte hatte in seinen Funktionen als Leiter der politischen Abteilung, als SS-Gerichtsführer und Standesbeamter die gesamte Häftlingspersonalverwaltung inne. Er unterhielt den Kontakt mit