Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.622

 

eingerichtet wurde. Schul. besuchte im Sommer 1941 einen Lehrgang für Standesbeamte in Badenweiler und wurde anschliessend Standesbeamter.

 

Dieses Standesamt wurde wegen der Vielzahl der Todesfälle im Konzentrationslager eingerichtet, und um zu verhindern, dass die Zahl der Todesfälle nach aussen bekannt wurde. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Schwurgerichts daraus, dass dieses Standesamt ausser hin und wieder der Beurkundung von Heiraten von lagerangehörigen SS-Leuten nur Todesfälle zu registrieren hatte, ferner aus folgendem Umstand: Aus den Todesurkunden des Standesamtes Mauthausen II - entsprechend bei allen anderen in Konzentrationslagern eingerichteten Standesämtern - war die Anzahl der jeweils in einem Jahr verstorbenen Häftlinge zu ersehen, weil, wie üblich, die Todesurkunden laufend durchnumeriert wurden. So war z.B. die Sterbeurkunde des bereits erwähnten Häftlings Josef Möss vom 21.April 1943 im Original Gegenstand der Hauptverhandlung (Bd.108 Bl.21412). Sie trägt die laufende Nummer 2335/1943. Um die Möglichkeit, die Anzahl der in einem Jahr im Konzentrationslager verstorbenen Häftlinge anhand der Sterbeurkunden zu erkennen, auszuschliessen, ordnete daher das Reichssicherheitshauptamt durch Erlass vom 26.Mai 1943 folgendes an:

"Aus der derzeitigen fortlaufenden Numerierung der Sterbeurkunden durch die lagereigenen Standesämter der Konzentrationslager mit arabischen Ziffern ist die jeweilige Zahl der im laufenden Jahr eingetretenen Todesfälle ersichtlich. Ich ordne daher an: Die fortlaufende Numerierung der Sterbeurkunde mit arabischen Ziffern unterbleibt mit sofortiger Wirkung. Zukünftige Sterbefälle werden unter laufenden römischen Ziffern und laufenden arabischen Unterziffern erfasst, und zwar derart, dass der erste Sterbefall die Ziffer I, 1, der zweite Sterbefall die Ziffer I, 2 usw., bis Ziffer I, 185 erhält. Ist die arabische Ziffer 185 verbraucht, so werden die weiteren Sterbefälle unter der Ziffer II erfasst, und zwar erhalten sie die Ziffern II, 1 bis 185. Nach Erreichung der Ziffer II, 185 werden die weiteren Sterbefälle des laufenden Jahres unter III, 1-185, IV, 1-185 usw. erfasst. Zum Jahresbeginn wird jeweils wieder mit Ziffer I, 1 begonnen."

 

Der Erlass in Verbindung mit dem zugehörigen Anschreiben, aus welchem sich ergibt, dass auch das Konzentrationslager Mauthausen eine Kopie des Erlasses bekommen hat, lag dem Schwurgericht in der Hauptverhandlung zwar nur in unbeglaubigter Abschrift vor (Dokumente X Bl.23). Das Schwurgericht hat jedoch keinen Zweifel, dass dieser Erlass existierte und die Abschrift ihn richtig wiedergibt: Im Standesamt Mauthausen II ist nämlich nach dem Zeitpunkt dieses Erlasses dementsprechend verfahren worden. Mehrere vom Standesamt Mauthausen II ausgestellte Sterbeurkunden, vom 16. und 24.Oktober 1944 sowie vom 15.November 1944, waren in Fotokopie Gegenstand der Hauptverhandlung. Diese Fotokopien lassen ihrerseits die Übereinstimmung mit den zugrundeliegenden Originalen zweifelsfrei erkennen (Bd.85 Bl.17163). Diese Sterbeurkunden weisen im Gegensatz zu der vorerwähnten Sterbeurkunde vom April 1943 die Numerierung mit römischen und arabischen Ziffern, entsprechend dem vorerwähnten Erlass, auf.

 

Das Schwurgericht hat auch keine Zweifel daran, dass dem Angeklagten Schul. der Zweck der Einrichtung des Standesamtes Mauthausen II sowie der erwähnte Erlass bekannt war. Zwar leugnet er das Erste und meint zu dem Zweiten lediglich, es könne so gewesen sein. Da er aber Standesbeamter wurde und den entsprechenden Lehrgang mitmachte, hat er sich auch über den Zweck dieser Einrichtung Gedanken gemacht. Er wusste, dass die Aufgaben eines Standesbeamten sonst nichts mit den Aufgaben eines Konzentrationslagers zu tun hatten. Wenn kein besonderer Grund für die Einrichtung eines Standesamtes gerade im Konzentrationslager vorgelegen hätte, wäre es zweckmässiger und einfacher gewesen, das bereits im Ort Mauthausen vorhandene Standesamt zu vergrössern. Unter den gegebenen Umständen aber hat der Angeklagte erkannt, dass dieser besondere Grund nur darin bestehen