Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.616

 

"Reichsbanners" gewesen. Im Jahre 1933 wurde er förderndes Mitglied der SS. Insoweit entwickelte er jedoch keine politische Aktivität, sondern zahlte lediglich seinen Beitrag wie viele andere seiner Kollegen auch. Am 1.Mai 1937 trat er der NSDAP bei. Bis zu seiner Abordnung nach Mauthausen war er "Blockleiter" der Ortsgruppe Neu-Zollstock in Köln. Auch insoweit blieb er unauffällig und zeigte keinen besonderen politischen Eifer.

 

Im Oktober 1938 wurde ein Kollege des Angeklagten aus der Kriminalpolizei in Köln, nämlich der Zeuge Esc., als Kriminalbeamter zum Konzentrationslager Mauthausen abgeordnet, wo er die Leitung der politischen Abteilung zu übernehmen hatte. Esc. und der Angeklagte kannten sich seit einigen Jahren als Kollegen. Esc. bemühte sich wegen einer Erkrankung seiner Frau und weil ihm die Tätigkeit im Konzentrationslager nicht gefiel, um seine Ablösung, was ihm auch gelang. Als bei den Angehörigen der Kriminalpolizei Köln angefragt wurde, welcher Kriminalbeamte sich freiwillig nach Mauthausen zur Ablösung Esc.s melde, bewarb sich der Angeklagte um diese Stelle. Er wurde zum 1.September 1939 nach Mauthausen abgeordnet.

 

Der Angeklagte hatte bis dahin noch kein Konzentrationslager gesehen, wusste aber, dass es Konzentrationsläger gab, kannte ungefähr ihren Zweck und wusste auch, dass diese Lager keinen guten Ruf hatten. Ihm war z.B. bekannt, dass im Jahre 1938 in einer sogenannten "Asozialen-Aktion" eine grosse Anzahl damals als asozial geltender Personen verhaftet und in Konzentrationslager gebracht worden waren. Nach seinen eigenen unwiderlegten Angaben hat er sich um die Stelle im Konzentrationslager Mauthausen beworben, weil er aufgrund der Abordnung Trennungsentschädigung erhielt.

 

In den ersten Tagen des September 1939, spätestens am 3.September 1939, fuhr der Angeklagte nach Mauthausen, wo er im Konzentrationslager von Esc. die Leitung der politischen Abteilung übernahm. Über seine Tätigkeit im Konzentrationslager und sein Verhältnis zum übrigen Personal sowie zu den Häftlingen wird unten noch näheres ausgeführt. Der Angeklagte blieb bis Kriegsende dort. Im Sommer 1943 zogen die Ehefrau des Angeklagten und sein Sohn, der Zeuge Karl Günter Sch., von Köln nach Mauthausen, nachdem ihre Wohnung durch Luftangriffe zerstört worden war. Der Angeklagte lebte von nun an im Ort Mauthausen in einer kleinen Wohnung mit seiner Familie zusammen. Er hatte ausserdem ein Dienstzimmer im Konzentrationslager, dort konnte er auch übernachten. In der Regel kehrte er jedoch abends zu seiner Familie zurück.

 

In der Nacht vom 3. zum 4.Mai 1945 verliess der Angeklagte mit einem LKW das Lager, um die Ehefrau des Lagerkommandanten Ziereis sowie dessen Kinder in Sicherheit zu bringen. Mit dem Angeklagten fuhren eine ihm befreundete SS-Helferin aus dem Lager namens Neubauer oder Neugebauer, ferner ein tschechischer Häftling, der in der politischen Abteilung unter dem Angeklagten beschäftigt war, nämlich der Zeuge Kri., der Fahrer sowie wahrscheinlich noch die Frau eines SS-Angehörigen namens Schmidt mit zwei Kindern. Der LKW fuhr zu einer Jagdhütte am Pyrnpass bei Spittal. Hier wurde ein paar Tage später der Lagerkommandant Ziereis von einer amerikanischen Streife aufgegriffen.

Der Angeklagte hatte sich die Uniform eines SS-Unterscharführers beschafft. Er verliess die Hütte und geriet kurz danach in amerikanische Gefangenschaft. Dort war über seine Tätigkeit im Konzentrationslager Mauthausen nichts bekannt. Es gelang ihm, mit einem Lazarettzug nach Heidelberg zu kommen. Er legte sich den falschen Namen Karl Mü. zu und wurde nach einiger Zeit aus der Gefangenschaft entlassen. Er behielt zunächst den falschen Namen bei und ging verschiedenen Beschäftigungen nach. In den letzten Jahren vor seiner Verhaftung war er als Portier in einem Hotel in Köln beschäftigt. Seine Frau war nach dem Kriege verhaftet und nach Linz geschafft worden. Im August 1945 wurde sie entlassen und zog mit dem Sohn nach Bergisch-Gladbach.

Der Angeklagte nahm später seinen richtigen Namen wieder an, wobei er erfuhr, dass er nicht Sch., sondern Schul. heisst. Am 13.März 1956 wurde er in dieser Sache erstmalig