Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.615

 

C. Der Werdegang und die Persönlichkeit der Angeklagten

 

I. Der Angeklagte Schul.

 

Der Angeklagte Karl Schul., der früher irrtümlich den Namen Sch. führte, ist am 9.September 1902 in Eberswalde bei Berlin geboren. Sein verstorbener Vater war Postassistent, seine Mutter ist im Jahre 1919 verstorben. Der Angeklagte hat noch einen um fünf Jahre älteren Bruder, der, wie er meint, in der Ostzone wohnt, und mit dem der Angeklagte keinen Kontakt unterhält.

 

Karl Schul. besuchte bis zum 14.Lebensjahr die Schule, und zwar entweder die Volksschule in Eberswalde bis zum Abschluss oder seit dem 5.Schuljahr die Realschule bis zur Untertertia. Er hat insoweit widersprechende Angaben gemacht, die nicht aufgeklärt werden konnten. Nach seiner letzten Einlassung nahmen ihn seine Eltern aus wirtschaftlichen Gründen von der Realschule. Er begann dann eine Schlosserlehre bei der damaligen "Königlichen-Eisenbahn-Hauptwerkstatt" in Eberswalde. Nach Abschluss der Lehre bestand er die Gesellenprüfung und war abschliessend noch einige Zeit bei der Eisenbahn in Eberswalde als Schlossergeselle tätig. Er kam dann nach Stargard in Pommern. Da er dort nicht, wie er gehofft hatte, im Fahrdienst eingesetzt wurde, gab er diese Tätigkeit auf und bewarb sich um die Übernahme in den Polizeidienst.

 

Am 19.März 1923 wurde er bei der Polizei in Berlin eingestellt. Er besuchte zunächst für etwa ein Jahr die Polizeischule für Gross-Berlin in Neubrandenburg als Polizeianwärter. Nach der Abschlussprüfung verpflichtete er sich für 12 Jahre zum Polizeidienst und wurde als Unterwachtmeister zur Schutzpolizei nach Berlin-Lichterfelde kommandiert. Bei den damaligen unruhigen politischen Verhältnissen in Berlin wurde er wiederholt bei Demonstrationen eingesetzt. Noch heute erinnert er sich an Einzelheiten aus seiner damaligen Tätigkeit; er berichtet, wie er von Demonstranten angepöbelt und einmal im Jahre 1924 bei einer Auseinandersetzung mit kommunistischen Demonstranten verletzt wurde. Anfang 1926 wurde er mit seiner Polizeieinheit nach Köln verlegt. Hier wurde er in der Folgezeit zum Wachtmeister und später zum Oberwachtmeister befördert. Im Jahre 1929 oder 1930 wurde er auf der Polizeischule für Technik und Verkehr in Berlin zum Polizeifunker ausgebildet. Anschliessend kam er zur Polizeifunkleitstelle Köln, auf der er bis zum Ende seiner 12-jährigen Dienstzeit im Jahre 1935 blieb.

 

Im Jahre 1929 hatte der Angeklagte seine erste Ehefrau geheiratet, die im November 1959 verstorben ist. Aus dieser Ehe ist ein Sohn, der am 16.Juni 1930 geborene Zeuge Karl Günter Schul., hervorgegangen.

 

Am 19.März 1935 lief die vorgesehene Dienstzeit des Angeklagten ab. An diesem Tag schied er aus der Schutzpolizei mit dem sogenannten "Polizeiversorgungsschein" aus. Er versuchte nun, eine Anstellung als Funker zu erhalten, was ihm jedoch nicht gelang. Ausserdem bewarb er sich um die Übernahme bei der Kriminalpolizei. Ende 1935 wurde er bei der Kriminalpolizei in Köln als Oberassistent auf Probe übernommen. Er besuchte zunächst einen zweimonatigen Lehrgang bei dem Polizeiinstitut in Berlin-Charlottenburg, dessen Abschlussprüfung er bestand. Aufgrund dessen wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit am 1.November 1936 zum Kriminaloberassistent ernannt. Er setzte nun seinen Dienst bei der Kriminalpolizei in Köln fort und arbeitete bis Ende 1938 im sogenannten Sittendezernat, indem er mit der Verfolgung von Sittlichkeitsdelikten beschäftigt war. Später tat er im Dezernat für Kapitalverbrechen Dienst.

 

Unter seinen Vorgesetzten und Kollegen bei der Kriminalpolizei galt der Angeklagte in dienstlicher und politischer Hinsicht als unauffällig. Er war zurückhaltend, nicht sonderlich begabt, aber fleissig und ordentlich. In den Jahren 1930 bis 1932 war er Mitglied des