Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.614

 

Israel beantragten Auslieferung kam es nicht mehr; Wagner beging in der Auslieferungshaft Selbstmord.

 

Von den deutschen Lagerangehörigen, die ihrer Funktion nach als Lagerbereichsführer oder als Kommandoführer oder als Unterführer untergeordnet tätig waren, sind Erich Bauer, Hubert G. und Johann K. 1950 in Berlin bzw. in Frankfurt/Main vor Gericht gestellt worden. Erich Bauer war in Berlin zufällig dem Zeugen Samuel Ler. begegnet, welcher seinerseits zu jener Zeit dort ebenso wie die Zeugin Esther Raa. lebte; die beiden veranlassten die Festnahme Bauers. Der Anstoss zu dem Verfahren gegen G. und K. wiederum war vom Zeugen Tho. ausgegangen, der sich von den USA aus schriftlich darum bemühte, ein Ermittlungsverfahren über die Vorgänge im Lager Sobibor zu initiieren. Er gab zunächst Hinweise darauf, dass Johann K. möglicherweise in Frankfurt lebe, darüber hinaus führte er eine grössere Anzahl weiterer Deutscher auf, unter ihnen G. und Frenzel. Im Zuge der daraufhin von der Staatsanwaltschaft Frankfurt eingeleiteten Ermittlungen wurden schliesslich K. und G. ermittelt, nicht jedoch die andern namentlich von Tho. angeführten vormaligen Angehörigen der Lagermannschaft.

 

Im Verfahren (500) PKs 3/50 StA Berlin-Moabit wurde Bauer durch Urteil des Schwurgerichts Berlin-Moabit vom 8.Mai 1950 wegen seiner Tätigkeit im Vernichtungslager Sobibor, insbesondere wegen seiner Tätigkeit bei den Gaskammern - wegen fortgesetzten Verbrechens gegen die Menschlichkeit - zum Tode verurteilt 363. Nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland auch in Berlin wurde die Strafe in lebenslanges Zuchthaus umgewandelt. Mehrere Wiederaufnahmeanträge blieben erfolglos. Durch Beschluss des Senats von Berlin vom 30.November 1971 wurde die weitere Vollstreckung der Strafe mit Wirkung vom 22.Dezember 1971 im Gnadenwege ausgesetzt. Bauer ist inzwischen verstorben am 4.Februar 1980.

 

Im Verfahren 52 Ks 3/50 StA Frankfurt/Main 364 wurde der später, am 18.Februar 1955 verstorbene Angeklagte K. durch Urteil vom 25.August 1950 freigesprochen, G. wurde zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt. Bei ihrer Entscheidung auf den Freispruch K.s liess sich das Schwurgericht Frankfurt davon leiten, dass K. durch seine Tätigkeit in der Bäckerei und im "Schuhkommando" nur eine entferntere Ursache für den Gesamtvernichtungsvorgang setzte und im übrigen im Lager jüdischen Häftlingen half, soweit es in seinen Kräften stand. Demgegenüber wurde G. insbesondere deswegen als Mittäter an der Tötung der Sobibor-Häftlinge eingestuft und wegen Mordes in einer unbestimmten Anzahl von Fällen verurteilt, weil er vor allem für den Transport der Kranken und Gebrechlichen mittels der Lorenbahn gesorgt und häufig Einzeltötungen vorgenommen haben soll. G., der am 19.Oktober 1949 in Untersuchungshaft genommen worden war, verbüsste die verhängte Strafe bis zum 12.Dezember 1972. An diesem Tag hatte das Landgericht Frankfurt die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet.

 

Das erneute, in der Zeit vom 12.November 1973 bis zum 8.Juli 1977 durchgeführte Verfahren führte zu einer Verurteilung G.s wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord an einer unbekannten Vielzahl, mindestens an 150.000 Menschen, des versuchten Mordes in einem Fall, dreimal des versuchten Mordes in jeweils unbekannter Anzahl von Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren 365.

 

363 Siehe Lfd.Nr.212.

364 Siehe Lfd.Nr.233.

365 Siehe Lfd.Nr.885b.