Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.606

 

Ausser den bereits namentlich genannten sind beim Aufstand auf der Seite der Wachmannschaften noch Falasta, Steffl und Konrad getötet worden. Dub. wurde nach Chelm in ein Krankenhaus transportiert. Floss wurde am 22.Oktober 1943 von ukrainischen Wachleuten, die er nach Trawniki begleiten sollte, während der Fahrt im Zug umgebracht. Von den etwa bei Beginn des Aufstands in Sobibor lebenden 450 Arbeitsjuden umfasste das gerade aus Lager IV zurückkommende Arbeitskommando 10 Frauen und 50 Männer, zumeist Russen. Bei ihnen waren 4 oder 5 deutsche Unterführer, unter anderem Wendland, Müller und Rehwald gewesen. Als Frenzel vom Telefonat mit Lublin zurückkam, waren jene Arbeitsjuden bereits erschossen worden. Im Lager I waren ca. 150 Menschen zurückgeblieben, zumeist Frauen und ältere Männer, einige von ihnen hatten sich zu verstecken versucht, sie wurden von Wachmannschaften in Schach gehalten. Etwa 80-100 Juden hatten im Bereich des Lagers, der Umzäunung, des Minengürtels und in unmittelbarer Umgebung des Lagers den Tod erlitten.

 

Den übrigen etwa 160 Menschen war zunächst die Flucht gelungen. Viele von ihnen, nämlich etwa 80-85 wurden in den nächsten Tagen von der herbeigerufenen SS-Reiterschwadron, von Polizei- oder Zollkräften wieder aufgegriffen. Ein Teil von ihnen wurde sofort erschossen, andere wurden in kleinen Gruppen zum Lager zurückgebracht. Vorn an der Wache wurden sie in Empfang genommen und von einem zu diesem Zweck zusammengestellten Kommando sogleich exekutiert. Diese Aktion wurde nach gut fünf Tagen abgebrochen.

 

Von den nicht wieder Aufgegriffenen erlagen einige in der Folgezeit den Strapazen des Lebens in Erdhöhlen und anderen Verstecken, die sie sich gesucht hatten; andere schlossen sich Partisanengruppen in den Wäldern Ostpolens an und wurden im Kampf getötet; etliche wurden auch von antisemitisch eingestellten polnischen Partisanen umgebracht. Insgesamt nur etwa 40-50 Menschen, darunter wenige Frauen, überlebten Aufstand und Flucht. Eine Reihe derjenigen, die den Krieg überlebten, ist zwischenzeitlich verstorben.

 

Aufgrund der Alarmmeldungen Frenzels traf noch am selben Abend Hering, der sich als Nachfolger Wirths gerade in Belzec befunden hatte, in Sobibor ein. Am nächsten Tag kamen aus Lublin der SS- und Polizeiführer Sporrenberg (Nachfolger Globocniks) und mit ihm unter anderen Mic. 351 und SS-Hauptsturmführer Höfle als Leiter der Hauptabteilung "Aktion Reinhard" bei dem SS- und Polizeiführer Lublin. Sporrenberg ordnete die umgehende Erschiessung der festgehaltenen noch lebenden Arbeitsjuden an. Frenzel bat darum, sie zunächst noch am Leben zu lassen, damit sie die Aufräumungsarbeiten, insbesondere das Bergen der Leichen aus den Stacheldrahtzäunen und Minenfeldern durchführen könnten. Sporrenberg lehnte das ab und meinte sinngemäss, Frenzel solle sich doch selbst die Jacke ausziehen und das machen. Die etwa 150 in Lager I zusammengetriebenen jüdischen Menschen wurden abgeführt, unter anderem begleitet von Frenzel und wenig später am üblichen Erschiessungsplatz von ukrainischen Erschiessungskommandos liquidiert.

 

In den nächsten Tagen trafen auch die deutschen Lagerangehörigen ein, die sich beim Aufstand in Urlaub befunden hatten und zurückgerufen worden waren. Zwischenzeitlich war die Entscheidung gefällt worden, das Lager Sobibor abzubrechen und das Gelände so herzurichten, dass Hinweise auf das Lager nicht blieben. Zu diesem Zweck wurden etwa 100-120 Arbeitsjuden aus Treblinka herangeschafft, auch sie sind später erschossen worden. Der Angeklagte Frenzel war an den weiteren Abbrucharbeiten und der Tötung der hierfür eingesetzten, aus Treblinka stammenden Juden nicht mehr beteiligt. Er war schon wenige Tage nach dem Aufstand mit anderen Wachmännern, die den Aufstand überlebt hatten, nach Berlin zurückgesandt

 

351 Siehe Lfd.Nr.812.