Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.601

 

werde durch Aussonderung einer bestimmten Anzahl von Juden aus ihren Reihen und deren Erschiessung ein Exempel statuiert, um sie vor ähnlichen Unternehmungen zu warnen. Wahrscheinlich wurden jeder 10., bei der damaligen Anzahl der Arbeitsjuden etwa 20, mindestens jedenfalls insgesamt 10 Arbeitsjuden von Frenzel als dem verantwortlichen Leiter des Teillagers ausgewählt. Sie mussten heraustreten und wurden in das Lager III geführt, dort unmittelbar anschliessend an der üblichen Erschiessungsstelle liquidiert. Ob der Angeklagte die ausgewählten Häftlinge noch ins Lager III brachte, bei deren Erschiessung dabei war, steht nicht fest; auch nicht wer die eigentliche Erschiessung an der üblichen Erschiessungsstelle kommandiert hat.

 

Fall 50; eingestellt gemäss §154 Abs.2 StPO

 

Mit Einsetzen der regelmässigen Transporte aus den Niederlanden war die Zahl der aus jenen Transporten ausgewählten Arbeitsjuden schnell angewachsen. Eine der hierfür massgeblichen Gründe war, dass jene sich in einem guten Ernährungszustand befanden, körperlich gesund und kräftig, damit besonders geeignet waren, zu der übermenschlich schweren Arbeit in Sobibor herangezogen zu werden. Die meisten von ihnen wurden zu einfachen Arbeiten herangezogen, einige wenige waren Spezialisten und arbeiteten in ihrem Fach. Unter ihnen war der Kunstmaler Prof. Max van Dam. Dieser wurde bald dazu bestimmt, für deutsche Lagerangehörige nach deren Wunsch und Bestellung Ölbilder zu erstellen. Ihm war es im Hinblick auf seine Fähigkeiten zugestanden worden, in einer eigenen Werkstatt mit zwei Gehilfinnen zu arbeiten.

 

Etwa Mitte April 1943, jedenfalls ganz kurze Zeit, nachdem im Lager III der bereits erwähnte Tunnelbau entdeckt und die Erschiessung der dortigen Arbeitsjuden bereits durchgeführt worden war, erfuhr der Angeklagte Frenzel von einem seiner Kapos, nämlich demjenigen des Bahnhofskommandos, die holländischen Arbeitshäftlinge planten einen Aufstand. Der Angeklagte informierte daraufhin pflichtgemäss die Lagerleitung, sei es, dass er selbst zu Niemann ging oder seinen Kapo zu jenem sandte. Niemann veranlasste daraufhin, dass die deutschen Wachmänner zu einer Beratung zusammengeholt wurden. Es ist nicht mehr sicher festzustellen, ob die von vielen Zeugen bekundete Darstellung zutrifft, es sei zunächst ein Holländer, der als Anführer jener Gruppe angesehen wurde, vielfach als Kapitän zur See bezeichnet, unter Schlägen vergeblich aufgefordert wurde, die Namen derjenigen preiszugeben, die die Flucht geplant hatten. Fest steht jedoch, dass letztlich eine Differenzierung innerhalb der Gruppe der Holländer nicht mehr vorgenommen wurde, die Lagerleitung vielmehr anordnete, dass alle zu liquidieren seien.

 

Frenzel liess daraufhin die Holländer antreten. Bevor er die gesamte, aus wahrscheinlich etwas mehr als 70 Männern bestehende Gruppe abführen liess, gestattete er von sich aus, dass der Maler van Dam zur Seite trat und zurückblieb. Mit dem Maler hielt Frenzel auch die beiden Frauen zurück, gelernte Grafikerinnen, die mit in seiner Werkstatt arbeiteten. Die dem Angeklagten auch in einem solchen Fall, in dem die Lagerleitung die Erschiessung einer ganzen Menschengruppe angeordnet hatte, gleichwohl gebliebene Kompetenz, nach eigenem Gutdünken die Anordnung hinsichtlich einzelner ausser Kraft zu setzen, diejenigen am Leben zu erhalten, nutzte der Angeklagte aus, weil van Dam zu jener Zeit ein Ölbild, eine Rheinlandschaft darstellend, noch nicht fertiggestellt hatte, das Frenzel in Auftrag gegeben hatte. Damit der Maler und seine Gehilfinnen an diesem Werk weiterarbeiten, gegebenenfalls für andere Deutsche auch weitere Bilder herstellen konnten, traf Frenzel diese Anordnung. Die übrigen etwa 70 oder 72 holländischen Juden wurden unter Teilnahme Frenzels, weiterer deutscher Wachmänner und etwa 10 bis 12 Ukrainer zum üblichen Erschiessungsplatz abgeführt. Obgleich zu jener Zeit gerade etwa 150 Arbeitsjuden aus Lager III kurz zuvor liquidiert worden waren, wurden die Holländer nicht an deren Stelle als Arbeitskräfte eingesetzt, sondern sofort erschossen. Ob Frenzel das eigentliche Erschiessungskommando angeführt hat, ist nicht feststellbar.