Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.596

 

Als Himmler und Heydrich das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin übernahmen, wurde Eicke, inzwischen SS-Brigadeführer, mit dem Amt eines "Inspekteurs der Wachverbände und KZ-Lager" betraut, das organisatorisch dem SS-Hauptamt unterstand. Bei seinem Amtsantritt übernahm Eicke acht als "staatliche Institutionen geführte KZ-Lager" in Regie und Verwaltung. Nach Dachau wurden die KZ-Lager Buchenwald und Sachsenhausen nach einheitlichen, bis ins einzelne ausgearbeiteten Plänen der SS-Führung als Grosskonzentrationslager und Stammlager aufgebaut. Bei Kriegsbeginn gab es nach einem Bericht des Chefs "der SS-Wirtschaftshauptverwaltung" vom 30.April 1942 sechs grosse Strafkonzentrationslager mit rund 21400 Häftlingen und im August 1943 nach einem Bericht vom 30.September 1943 neunzehn KZ-Lager mit insgesamt 224000 Häftlingen. Mit der Inspektion der KZ-Lager wurde auch der Sitz der Kommandantur der Totenkopfverbände von Dachau nach Oranienburg verlegt. Die SS-Totenkopfverbände übernahmen in der Folgezeit die ausschliessliche Bewachung der Konzentrationslager.

 

Die organisatorische und räumliche Trennung der Ämter des "Inspekteurs der KZ-Lager" und des "Inspekteurs der Wachverbände" trotz Personalunion kennzeichnete die doppelte Funktion der Totenkopfverbände. Einerseits stellten sie das Verwaltungs- und Bewachungspersonal der KZ-Lager und unterstanden der "Inspektion der KZ-Lager", andererseits betrieben sie als Truppenverbände ihre Ausbildung, standen dem militärischen Kontrollapparat zur Verfügung und unterstanden der "Inspektion der Wachverbände". Die Doppelfunktion und die organisatorische Trennung wiederholten sich auch auf der Ebene des einzelnen KZ-Lagers insoweit, als dem Lagerkommandanten an der Spitze des gesamten Lagers - SS- und KZ-Lager - je ein Lagerführer für das KZ-Lager und für das SS-Lager unterstanden. Dem SS-Lagerführer unterstand die Truppe, dem Schutzhaftlagerführer die Gesamtheit der Häftlinge und der Teil der Truppe, der zur Verwaltung und Bewachung des Lagers diente.

Die Wachmannschaften waren offiziell nur zum Dienst auf den Wachtürmen eingeteilt und hatten die Postenkette für die ausserhalb des Lagers arbeitenden Häftlinge zu stellen. Entweder hatten die Arbeitskommandos ihre eigenen Posten, oder ein grösserer Bezirk wurde mit einer Postenkette umgeben. Allein die Aufrechterhaltung der allgemeinen Disziplin und die Verhinderung eines Fluchtversuchs boten dem Postendienst eine Fülle von Möglichkeiten individueller und nicht offizieller Terrorisierung der Häftlinge.

 

Die Wachkommandos waren zunächst noch nach polizeimässigen Gesichtspunkten in Hundertschaften gegliedert. Später wurden sie in Standarten, Sturmbanne und Stürme gegliedert. In einem Erlass vom 17.August 1938 erklärte der "Führer und Reichskanzler":

"Die SS-Totenkopfverbände sind weder ein Teil der Wehrmacht noch der Polizei. Sie sind eine stehende bewaffnete Truppe der SS zur Lösung von Sonderaufgaben polizeilicher Natur, die zu stellen ich mir von Fall zu Fall vorbehalte. Als Gliederung der NSDAP sind sie weltanschaulich und politisch nach von mir für die NSDAP und die Schutzstaffeln gegebenen Richtlinien auszuwählen und zu erziehen ..... Sie unterstehen dem Reichsführer der SS und dem Chef der Deutschen Polizei."

 

1937 betrug die Zahl der Angehörigen der Totenkopfverbände bereits 3500. Als nach Kriegsbeginn Eicke die aus Mitgliedern der Totenkopfverbände gebildete SS-Totenkopf-Division übernahm, wurde SS-Gruppenführer Richard Glücks sein Nachfolger als Inspekteur der KZ-Lager und Führer der Totenkopfverbände. Im Frühjahr 1942 wurde die Inspektion der KZ-Lager als Amt D dem "Wirtschaftsverwaltungshauptamt" (WVHA) - SS-Obergruppenführer Oswald Pohl - unterstellt.

 

Die in allen KZ-Lagern begangenen grauenvollen Verbrechen finden ihre Erklärung weniger darin, dass unter den Wachmannschaften potentielle Mörder waren, als vielmehr in der Tatsache, dass die SS-Führung die Wachmannschaften offen oder auch versteckt zu