Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.595

 

Chef des RSHA war bis zu seinem Tode (5.Juni 1942) Heydrich. Sein Nachfolger wurde Kaltenbrunner. Amtschef des Amtes IV (Gestapo) wurde der Gruppenführer Heinrich Müller, Amtschef des Amtes V (Reichskriminalpolizeiamt) war Gruppenführer Arthur Nebe. Von dem Amt IV wurden sogenannte "Schutzhäftlinge" und vom Amt V sogenannte "Vorbeugungshäftlinge" in die Konzentrationslager eingewiesen. Mit der "Verreichlichung" ging eine enge "Verzahnung" der Polizei mit der SS einher.

Diese "Verzahnung" wurde zunächst dadurch herbeigeführt, dass in der Person Himmlers das Amt des "Chefs der Deutschen Polizei" und des "Reichsführers der SS" vereinigt wurde. Als "Reichsführer der SS" war Himmler Hitler persönlich und unmittelbar unterstellt. Der Reichsminister des Innern, dem die Polizei und mithin auch ihr Chef Himmler eigentlich unterstand, war dadurch praktisch ausgeschaltet; denn gewöhnlich erteilte Hitler seine Weisungen dem "Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei" direkt und nicht über den Minister.

 

Ausser dieser in der Führung vorgenommenen Verschmelzung war Himmler bestrebt, einen grossen Teil der Angehörigen der Polizei zum Eintritt in die SS zu veranlassen. Sein Ziel war dabei, eine möglichst vollständige innere Einheit zwischen der SS und der Polizei herzustellen. Im Bereich der Ordnungspolizei wurde allgemein ein gewisser Druck zum Eintritt in die SS ausgeübt, im Bereich der Sicherheitspolizei, besonders in den späteren Jahren, dürfte aber bei Himmler selbst der Wunsch bestanden haben, nur solche Personen zum Eintritt in die SS zu veranlassen, die dafür geeignet erschienen.

 

Unter der damals vorgenommenen sogenannten "Dienstgradangleichung" war weder die Aufnahme von Polizeiangehörigen in die SS, noch die blosse Ausstattung von Personen, die der SS nicht angehörten, mit der SS-Uniform zu verstehen. Vielmehr bedeutete sie die Beförderung der in die SS Aufgenommenen zu dem ihrem Polizeidienstgrad entsprechenden SS-Dienstrang. Die Angleichung setzte eine ausdrückliche Beförderung durch die zuständigen SS-Dienststellen voraus und ergab sich nicht durch die Beförderung zu einem höheren Beamtenrang von selbst.

 

III. Die Errichtung der Konzentrationslager

 

Die Zusammenfassung von Polizeigewalt mit SS als der Exekutivgewalt des Parteiführers gab die Möglichkeit, im Inneren des Reiches absolut zu herrschen.

Eines der weiteren Mittel zur Festigung und zum Erhalt der absoluten Macht war für die Nationalsozialisten die Errichtung von Konzentrationslagern (KL).

 

Nach der Machtübernahme wurden die auf Grund der Verordnung vom 28.Februar 1933 in Schutzhaft genommenen Personen in einzelne, kleinere Schutzhaftlager eingeliefert, die von verschiedenen Gliederungen der NSDAP ohne besondere Planung eingerichtet worden waren, wobei die Behandlung der Häftlinge sehr unterschiedlich war. Heydrich - damals Organisator der politischen Polizei in Bayern - erkannte die Möglichkeit, die in einer organisatorischen und funktionellen Beziehung zwischen politischer Polizei, KZ-Lager und SS lag. Er beauftragte den damaligen SS-Standartenführer Eicke mit der Gründung des KL Dachau als des ersten polizeiamtlichen KZ-Lagers. Loritz, der spätere SS-Oberführer und Lagerkommandant der KZ-Lager Esterwegen und Sachsenhausen, wurde dort Lagerführer. Die in Dachau von Eicke angewandten Methoden - insbesondere seine Disziplinar- und Strafordnung vom 1.Oktober 1933 - und gesammelten Erfahrungen waren bei der Einrichtung und Führung neuer KZ-Lager wegweisend und beispielhaft. Gleichzeitig erhielt Eicke das Kommando über die neu aufgestellte SS-Totenkopfstandarte, die erste berufsmässige und aus dem Etat des bayerischen Innenministeriums festbesoldete SS-Polizeiverfügungstruppe, die mit der Bewachung des KZ-Lagers Dachau beauftragt war.