Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.594

 

Einen ersten Einsatz haben die bewaffneten SS-Einheiten, insbesondere die Leibstandarte, am 30.6.1934 in der Liquidierung Röhms und anderer missliebig gewordener SA-Führer gefunden. Der 30.6.1934 war damit auch das Ende der Bedeutung der SA. Sie hat nachdem keine wichtige politische Rolle mehr gespielt. Auf der anderen Seite war der 30.6.1934 der Anfang des Weges der SS zur zentralen wichtigsten Herrschaftsorganisation des 3.Reiches. Am 20.7.1934 wurde sie zur selbständigen Organisation erklärt und damit von der Oberhoheit der SA befreit. Der Erlass Hitlers lautete:

"Im Hinblick auf die grossen Verdienste der SS, besonders im Zusammenhang mit dem 30.6.1934 erhebe ich dieselbe zu einer selbständigen Organisation im Rahmen der NSDAP .....

Der Chef des Stabes und der Reichsführer-SS bekleiden beide den parteimässigen Rang eines Reichsleiters."

 

Bemerkenswert für die Entwicklung der Folgezeit ist die allmähliche Hineinführung der politischen Polizei in die SS-Organisation und die damit verbundene Herauslösung dieses Teiles der Polizei aus dem Gesamtaufbau der inneren Verwaltung. Offenbarer Sinn dieser Verzahnung von SS und Polizei war es, den bereits bestehenden innerstaatlichen Machtapparat der Polizei durch eine Lösung vom Prinzip der Gesetzmässigkeit der Verwaltung und eine Bindung an die rein parteipolitisch orientierte SS fest in den Griff der Diktatur zu bekommen.

 

Zu diesem Zweck wurde zunächst schon alsbald nach der Machtübernahme in Preussen "im Interesse einer einheitlichen Oberleitung der politischen Polizei" das "Geheime Staatspolizeiamt" errichtet, das für einige Monate dem Innenministerium unterstellt war und am 30.11.1933 ein selbständiger Zweig innerer Verwaltung wurde, der dem Ministerpräsidenten unterstand und von einem "Inspekteur" geleitet wurde. Ähnliche Regelungen wurden auch in den übrigen deutschen Ländern getroffen. In Bayern wurde am 9.März 1933 Ritter von Epp als "Reichskommissar für polizeiliche Befugnisse" eingesetzt. Er ernannte noch am gleichen Tage Heinrich Himmler, der schon damals "Reichsführer der SS" (RFSS) war, zum kommissarischen Polizeipräsidenten von München und Reinhard Heydrich, der damals Leiter des Sicherheitsdienstes des RFSS war, zum Leiter des politischen Referats der Münchener Kriminalpolizei (Abteilung VI). Am 20.4.1934 wurde Himmler auch noch stellvertretender Chef und Inspekteur der Preussischen Geheimen Staatspolizei. Am 22.April 1934 wurde Heydrich zum Chef des Preussischen "Geheimen Staatspolizeiamtes" ("Gestapo") ernannt.

 

Obwohl auch die politische Polizei zunächst noch Ländersache war, war ihre Einheit innerhalb des Reiches bereits gewahrt; denn seit 1934 gab es ein "Zentralbüro des politischen Polizeikommandeurs der Länder" im Geheimen Staatspolizeiamt in Berlin, das die Tätigkeit der politischen Länderpolizeien untereinander und mit der preussischen Geheimen Staatspolizei koordinierte. Dieser Vereinheitlichungsprozess wurde durch einen Erlass Hitlers vom 17.Juli 1936 abgeschlossen, als er Himmler zum "Chef der Deutschen Polizei" ernannte (RGBl. I Seite 487). Dies war der wichtigste Schritt auf dem Wege der Umwandlung der Deutschen Polizei in ein Instrument der "Führergewalt". Diese "Verreichlichung" hatte eine erhebliche Konzentration staatlicher Machtmittel zur Folge.

Durch zwei Erlasse vom 26.Juni 1936 organisierte Himmler die Deutsche Polizei neu. Er setzte den General der Polizei Daluege als Chef der Ordnungspolizei und den damaligen SS-Gruppenführer Heydrich als Chef der Sicherheitspolizei ein. Daluege unterstanden die Schutzpolizei, die Gendarmerie und die Gemeindepolizei. Dem Chef der Sicherheitspolizei (Sipo) unterstanden die politische Polizei und die Kriminalpolizei.

 

Die zentralen Ämter der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes wurden später durch Erlass vom 27.September 1939 zum Reichssicherheitshauptamt (RSHA) zusammengefasst, das sich in sieben Ämter unterteilte, von denen die Ämter IV (Gestapo) und V (Kriminalpolizei) hervorzuheben sind.